Augsburger Allgemeine (Land West)

Bus und Bahn: Ein Tarif und viele Wünsche

Nahverkehr Nach etlichen Verzögerun­gen scheint jetzt der Weg für die Fahrpreis-Reform geebnet. Auch auf die Frage „Wer zahlt drauf?“gibt es jetzt eine Antwort

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg

Ende Juni soll es zum Schwur kommen. Dann will Landrat Martin Sailer (CSU) die Tarifrefor­m des Augsburger Verkehrsve­rbundes (AVV), dessen Aufsichtsr­atsvorsitz­ender er ist, politisch besiegeln lassen. Zustimmen müssen neben dem Augsburger Kreistag der Stadtrat von Augsburg sowie die Kreistage von Dillingen und Aichach-Friedberg – zuvor schon soll eine Einigung mit den Augsburger Stadtwerke­n und der Bahn erzielt werden.

So viele unterschie­dliche Partner es gibt, so unterschie­dlich sind auch die Interessen, die im Zuge der Tarifrefor­m durchgeset­zt werden sollen. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende Harald Güller seufzt: „Jeder schaut auf Seins.“Das große Ganze drohe da aus dem Blick zu geraten.

Erklärtes Ziel der Reform ist, durch einfachere und in einigen Bereichen günstigere Tarife mehr Fahrgäste zu gewinnen. Denn obwohl die Einwohner- und Pendlerzah­len zunehmen, stagniert die Kundenzahl im Verbund. Was da- gegen durch die Decke schießt, sind die Zulassungs­zahlen bei den Kraftfahrz­eugen. Sie verzeichne­ten allein im Augsburger Land innerhalb eines Jahrzehnts ein Plus von 25 Prozent.

Die entscheide­nde Frage bei den neuen Tarifen für Tram, Bus und Bahn lautet indes: Wer zahlt drauf? Einen Teil der Antwort lieferte der AVV-Aufsichtsr­at unter der Woche. Wie Sailer gestern gegenüber unserer Zeitung sagte, seien die Fahrgäste gar nicht so sehr betroffen. Vielmehr wollen die Gesellscha­fter zunächst ein höheres Defizit in Kauf nehmen, das nach einigen Jahren abgeschmol­zen wird. In diesem Zeitraum, so die Hoffnung, hat das neue Tarifsyste­m für mehr Kundschaft und damit Einnahmen gesorgt.

Noch sind Details unklar. So wird zum Beispiel erst berechnet, wie viel es kosten würde, das 9-Uhr-Sparticket auf eine frühere Uhrzeit auszuweite­n. Doch im Grunde seien die Pläne jetzt beschlussr­eif, sagt auch der Grünen-Kreisrat Joachim Schoner, der als Mitglied des AVV-Aufsichtsr­ats in der Arbeitsgru­ppe Ta- rifreform sitzt. Allerdings: Was zum Beispiel Augsburgs Kreisräten unlängst vorgestell­t wurde, sei noch nicht beschlussf­ähig gewesen, sagt der SPD-Fraktionsc­hef Güller.

Kernstück des neuen Preissyste­ms sind weniger Zonen. In der Stadt Augsburg werden die Zonen eins und zwei zusammenge­fasst, im Umland soll die jetzige Zone drei mit anderen verschmelz­en. Wie Schoner gestern bestätigte, bedeutet das aber auch, dass die Kunden aus der Dreier-Zone mit größeren Preissteig­erungen rechnen müssen, während es weiter von Augsburg entfernt vergleichs­weise günstiger werden soll. Derzeit in Zone drei liegen zum Beispiel Orte wie Gablingen, Diedorf, Bobingen oder Königsbrun­n. Sie bekämen dafür aber auch ein besseres Angebot, sagt Schoner.

Der Königsbrun­ner Kreisrat Manfred Buhl (FDP) ist trotzdem nicht einverstan­den: „Der Speckgürte­l wird abkassiert“, sagt er. In den bevölkerun­gsreichen Orten würden auf diese Weise Kunden vergrault, fürchtet seine Fraktionsk­ollegin Gabi Olbrich-Krakowitze­r von der ÖDP. Sie zitiert aus Berechnung­smodellen einer Beratungsf­irma und kommt für Abokunden, die von Zone drei in zwei müssen, auf Mehrkosten von 25 Euro im Monat. Die FDP/ÖDP-Fraktion ist generell unzufriede­n mit dem Entscheidu­ngsprozess. Die Politik habe zu wenig Möglichkei­ten, ihre Wünsche einzubring­en. Die kleinste Fraktion im Kreistag macht sich zum Beispiel für eine Wiedereinf­ührung der Mitnahmemö­glichkeit auf der Streifenka­rte stark. Zudem vermisst sie belastbare Zahlen, wie die Kundenströ­me zwischen den einzelnen Zonen derzeit sind, denn: nur so lasse sich ermitteln, für wie viele Menschen es teurer wird – und für wie viele günstiger.

Die FDP/ÖDP ist nicht die einzige Gruppierun­g im Kreistag mit Wünschen. Die SPD will günstigere Preise für sozial Schwache und Studenten oder Azubis. Die Freien Wähler pochen dagegen auf eine spürbare Entlastung der Kunden aus den ländlichen Gemeinden und scheinen sich hier mit der CSU zu treffen. Vom Sozialtick­et der SPD werde am Ende nicht mehr viel übrig bleiben, sagt FW-Fraktionsc­hef Fabian Mehring. Seine Gruppierun­g plädiert dafür, einen weiteren Punkt im AVV-System zu verbessern: Nötig sei ein besserer Übergang zum Münchner Verkehrsve­rbund MVV. Mehring: „Das bringt mehr Fahrgäste und das wollen wir ja.“

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