Augsburger Allgemeine (Land West)
Bus und Bahn: Ein Tarif und viele Wünsche
Nahverkehr Nach etlichen Verzögerungen scheint jetzt der Weg für die Fahrpreis-Reform geebnet. Auch auf die Frage „Wer zahlt drauf?“gibt es jetzt eine Antwort
Landkreis Augsburg
Ende Juni soll es zum Schwur kommen. Dann will Landrat Martin Sailer (CSU) die Tarifreform des Augsburger Verkehrsverbundes (AVV), dessen Aufsichtsratsvorsitzender er ist, politisch besiegeln lassen. Zustimmen müssen neben dem Augsburger Kreistag der Stadtrat von Augsburg sowie die Kreistage von Dillingen und Aichach-Friedberg – zuvor schon soll eine Einigung mit den Augsburger Stadtwerken und der Bahn erzielt werden.
So viele unterschiedliche Partner es gibt, so unterschiedlich sind auch die Interessen, die im Zuge der Tarifreform durchgesetzt werden sollen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Güller seufzt: „Jeder schaut auf Seins.“Das große Ganze drohe da aus dem Blick zu geraten.
Erklärtes Ziel der Reform ist, durch einfachere und in einigen Bereichen günstigere Tarife mehr Fahrgäste zu gewinnen. Denn obwohl die Einwohner- und Pendlerzahlen zunehmen, stagniert die Kundenzahl im Verbund. Was da- gegen durch die Decke schießt, sind die Zulassungszahlen bei den Kraftfahrzeugen. Sie verzeichneten allein im Augsburger Land innerhalb eines Jahrzehnts ein Plus von 25 Prozent.
Die entscheidende Frage bei den neuen Tarifen für Tram, Bus und Bahn lautet indes: Wer zahlt drauf? Einen Teil der Antwort lieferte der AVV-Aufsichtsrat unter der Woche. Wie Sailer gestern gegenüber unserer Zeitung sagte, seien die Fahrgäste gar nicht so sehr betroffen. Vielmehr wollen die Gesellschafter zunächst ein höheres Defizit in Kauf nehmen, das nach einigen Jahren abgeschmolzen wird. In diesem Zeitraum, so die Hoffnung, hat das neue Tarifsystem für mehr Kundschaft und damit Einnahmen gesorgt.
Noch sind Details unklar. So wird zum Beispiel erst berechnet, wie viel es kosten würde, das 9-Uhr-Sparticket auf eine frühere Uhrzeit auszuweiten. Doch im Grunde seien die Pläne jetzt beschlussreif, sagt auch der Grünen-Kreisrat Joachim Schoner, der als Mitglied des AVV-Aufsichtsrats in der Arbeitsgruppe Ta- rifreform sitzt. Allerdings: Was zum Beispiel Augsburgs Kreisräten unlängst vorgestellt wurde, sei noch nicht beschlussfähig gewesen, sagt der SPD-Fraktionschef Güller.
Kernstück des neuen Preissystems sind weniger Zonen. In der Stadt Augsburg werden die Zonen eins und zwei zusammengefasst, im Umland soll die jetzige Zone drei mit anderen verschmelzen. Wie Schoner gestern bestätigte, bedeutet das aber auch, dass die Kunden aus der Dreier-Zone mit größeren Preissteigerungen rechnen müssen, während es weiter von Augsburg entfernt vergleichsweise günstiger werden soll. Derzeit in Zone drei liegen zum Beispiel Orte wie Gablingen, Diedorf, Bobingen oder Königsbrunn. Sie bekämen dafür aber auch ein besseres Angebot, sagt Schoner.
Der Königsbrunner Kreisrat Manfred Buhl (FDP) ist trotzdem nicht einverstanden: „Der Speckgürtel wird abkassiert“, sagt er. In den bevölkerungsreichen Orten würden auf diese Weise Kunden vergrault, fürchtet seine Fraktionskollegin Gabi Olbrich-Krakowitzer von der ÖDP. Sie zitiert aus Berechnungsmodellen einer Beratungsfirma und kommt für Abokunden, die von Zone drei in zwei müssen, auf Mehrkosten von 25 Euro im Monat. Die FDP/ÖDP-Fraktion ist generell unzufrieden mit dem Entscheidungsprozess. Die Politik habe zu wenig Möglichkeiten, ihre Wünsche einzubringen. Die kleinste Fraktion im Kreistag macht sich zum Beispiel für eine Wiedereinführung der Mitnahmemöglichkeit auf der Streifenkarte stark. Zudem vermisst sie belastbare Zahlen, wie die Kundenströme zwischen den einzelnen Zonen derzeit sind, denn: nur so lasse sich ermitteln, für wie viele Menschen es teurer wird – und für wie viele günstiger.
Die FDP/ÖDP ist nicht die einzige Gruppierung im Kreistag mit Wünschen. Die SPD will günstigere Preise für sozial Schwache und Studenten oder Azubis. Die Freien Wähler pochen dagegen auf eine spürbare Entlastung der Kunden aus den ländlichen Gemeinden und scheinen sich hier mit der CSU zu treffen. Vom Sozialticket der SPD werde am Ende nicht mehr viel übrig bleiben, sagt FW-Fraktionschef Fabian Mehring. Seine Gruppierung plädiert dafür, einen weiteren Punkt im AVV-System zu verbessern: Nötig sei ein besserer Übergang zum Münchner Verkehrsverbund MVV. Mehring: „Das bringt mehr Fahrgäste und das wollen wir ja.“