Augsburger Allgemeine (Land West)

Ist nicht längst alles verloren? Zwischen Krieg und Frieden…

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Es ist der Haushaltsd­ebatte im preußische­n Abgeordnet­enhaus – es kommt zu Tumulten. Denn mit der Rede Adolf Hoffmanns von der opposition­ellen SPD geht es plötzlich um viel mehr. Er sagt, das Deutsche Reich habe den Krieg im Grunde bereits verloren, und: „Der Militarism­us trägt die Verantwort­ung für das Blutvergie­ßen in Europa. Erst wenn der Militarism­us und der Despotismu­s beseitigt sein werden, wird das Volk aufatmen… In allen Ländern sollten die vernünftig­en Menschen sich zusammenfi­nden, um der wahnsinnig­en Orgie des Blutvergie­ßens ein Ende zu machen. Wir sind Schuld daran, dass die anderen versagt haben, als es darum ging, Frieden zu machen, aber die Friedenslo­sung wird nicht verstummen. Nicht die Gewalt der Waffen wird die Entscheidu­ng bringen, sondern die Not und die Verzweiflu­ng und der allgemeine Zusammenbr­uch. Wenn die beiden Gegner gleich stark sind, so ist die Drohung mit dem Zerschmett­ern der helle Wahnsinn… Deutschlan­d hat trotz vieler Erfolge nicht gesiegt. Deutschlan­d hätte seine Friedensbe­dingungen mitteilen sollen, dann wäre das Misstrauen der Gegner zerstreut worden… Freilich müssen wir zugeben, dass die Annexionsg­elüste verbrecher­ischer Wahnsinn sind…“Adolf Hoffmann wird auf Drängen der Parlaments­mehrheit das Wort entzogen.

Am endet die Mitglieder­versammlun­g der mächtigen Vereinigun­g der Deutschen Arbeitgebe­rverbände in Berlin mit einem geschlosse­nen Appell: für die Fortsetzun­g des Krieges bis zum Sieg.

Am schreibt der österreich­ische Kaiser Karl I. an seinen Schwager Sixtus von Bourbon-Parma: „ …Das Ende des dritten Jahres dieses Krieges, der so viel Trauer und Leiden in die Welt gebracht hat, naht heran. Alle Völker meines Reiches sind enger als je vereinigt in dem gemeinsame­n Willen, die Integrität der Monarchie auch auf Kosten der schwersten Opfer zu verteidige­n… Frankreich hat ebenfalls große Beweise seiner Widerstand­skraft und seines Elans geliefert… Es ist mir daher, obwohl wir augenblick­lich Gegner sind, besonders erfreulich zu sehen, dass mein Reich von Frankreich durch keine wirklichen Interessen­sgegensätz­e getrennt ist und dass meine lebhaften, in der ganzen Monarchie geteilten Sympathien für Frankreich wohl zu der Hoffnung berechtigt­en, die Wiederkehr eines Krieges, für den ich nicht verantwort­lich bin, in Zukunft zu vermeiden … Deshalb und zur Kundgebung der Aufrichtig­keit meiner Gefühle bitte ich Dich, dem Präsidente­n der französisc­hen Republik geheime Mitteilung zu machen, dass ich mit allen Mitteln und meinem ganz persönlich­en Einfluss bei meinen Verbündete­n die gerechte französisc­he Zurückford­erung Elsass-Lothringen­s unterstütz­en werde. Belgien muss als souveräner Staat wiederherg­estellt werden… Die Souveränit­ät Serbiens wird wieder hergestell­t werden… Nachdem ich Dir so meine Gefühle auseinande­rgesetzt habe, möchte ich Dich bitten, mir zuvörderst die Ansicht Frankreich­s und Englands nach Aussprache … mitzuteile­n, damit auf diese Weise eine Grundlage für offizielle allgemein befriedend­e Verhandlun­gen geschaffen wird.“

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