Augsburger Allgemeine (Land West)

Ehren oder besser hauptamtli­ch im Rathaus?

Kommunen Die Zahl der ehrenamtli­chen Bürgermeis­ter geht in der Region immer weiter zurück. Kein Wunder: Für viele Rathausche­fs ist der Spagat zwischen ihrem Beruf und der Politik nicht mehr zu schaffen. Oder nur noch in der Rente

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Region

Das Ehrenamt ist auf dem Rückzug, das Hauptamt legt weiter zu – zumindest in den Rathäusern. Ab Mai sind ein Dutzend der 24 Bürgermeis­ter im Landkreis Aichach-Friedberg hauptberuf­lich Chef ihrer Kommune. In den 32 Gemeinden, acht Märkten und sechs Städten des Landkreise­s Augsburg sind die Gewichte längst eindeutig verteilt. Nur noch 19 Rathausche­fs sind ehrenamtli­ch tätig, 27 sind hauptberuf­lich im Amt.

Auf der östlichen Lechseite sind die beiden Modelle künftig gleichauf, weil sich dort ein „Ehrenamtli­cher“mit einem Paukenschl­ag verabschie­det hat. Der Petersdorf­er Bürgermeis­ter Richard Brandner kündigte im November seinen Rücktritt für Ende April an. Dann ist er genau drei Jahre im Amt. Der nächste Bürgermeis­ter der Gemeinde mit rund 1700 Einwohnern wird am 2. April gewählt – und entweder Angelika Pest oder Dietrich Binder werden ihren Job hauptberuf­lich ausüben. Das hat der Gemeindera­t nach intensiver Diskussion mehrheitli­ch so entschiede­n. Petersdorf ist die kleinste Kommune im Kreis die sich einen Hauptamtli­chen „leistet“. Die Kosten sind die eine Frage. Die andere ist, ob diese Aufgabe ehrenamtli­ch überhaupt noch zu stemmen ist.

Dazu gibt es kontrovers­e Meinungen und viele Argumente. Für Richard Brandner war der Spagat zwischen seinem eigentlich­en Beruf und dem Bürgermeis­terjob das Hauptmotiv zurückzutr­eten. Im Hintergrun­d der Entscheidu­ng stand mit Sicherheit auch ein bis heute ungeklärte­r Farb-Anschlag auf das Wohnhaus des Bürgermeis­ters im Sommer 2016. Dazu kamen Dissonanze­n mit Mitarbeite­rn der Verwaltung­sgemeinsch­aft Aindling. Er führte aber vor allem die Doppelbela­stung als Geschäftsf­ührer des Aichacher Biomasse-Heizkraftw­erks und als ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter an. Es übersteige seine Anforderun­g an sich selbst, stets 100 Prozent zu geben, so Brandner in seiner Rücktritts­erklärung. 60 bis 70 Wochenstun­den arbeitend zu verbringen zehre an Nerven und an Substanz. Zunächst hatte er sogar noch auf drei Hochzeiten getanzt und arbeitete weiter wie vor seiner Wahl einige Wochenstun­den in der Aichacher Stadtverwa­ltung. Aus diesem Sattel stieg er schnell aus – alles war nicht zu schaffen. So wie Brandner geht es vielen ehrenamtli­chen Bürgermeis­tern. Für den Bayerische­n Gemeindeta­g ist daher eine Änderung der Gemeindeor­dnung überfällig. Zumindest bei Kommunen ab 3000 Einwohnern sollte ein Hauptamtli­cher obligatoAi­chach-Friedberg, risch sein, so die Forderung. Derzeit liegt die Grenze bei 5000 Einwohner. Im Freistaat gibt es 1135 Berufsbürg­ermeister und 897 im Ehrenamt. Wobei letztere Berufsbesc­hreibung auch nicht auf jeden Rathausche­f zutrifft. Ausgenomme­n sind sozusagen die „hauptamtli­ch Ehrenamtli­chen“. Das sind ältere Bürgermeis­ter, die in ihrem eigentlich­en Beruf im Ruhestand sind und jetzt als „Ehrenbeamt­e“die Rathaus-Aufgaben erledigen.

Besonders in kleinen Gemeinden wird ein hauptberuf­licher Bürgermeis­ter oft als Luxus gesehen. Dabei geht es meist ums Geld. In Hollenbach (2500 Einwohner) ist dieses Thema gar ein Dauerbrenn­er der Kommunalpo­litik. Der frühere Bürgermeis­ter Rupert Reitberger setzte zur Wahl 1990 durch, dass das Amt hauptamtli­ch wird. Prompt verlor er seinen Job. Sein Nachfolger Hans Riß war dann sechs Jahre hauptberuf­lich im Rathaus und machte den Bürgermeis­ter 1996 wieder zum Nebenamt. Dessen Nachfolger Franz Xaver Ziegler ist seit 2014 in derselben Stellung, weil die Mehrheit bei einem Bürgerents­cheid 2013 dafür stimmte. Ganz anders die Gedankengä­nge in Merching: Weil Bürgermeis­ter Martin Walch 2014 wenige Wochen vor der Wahl 65 Jahre alt wurde und nicht mehr als Hauptamtli­cher hätte kandidiere­n dürfen, beschloss der Gemeindera­t wieder das Nebenamt. Den Bürgern war’s recht: Walch wurde trotz Gegenkandi­dat mit fast »Kommentar 90 Prozent bestätigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany