Augsburger Allgemeine (Land West)

Kistenweis­e Semmeln aus dem Internet – unbezahlt

Gericht Ein Klick, und alles wird geliefert: Am Computer kaufen ist einfach. Wie das ein 23-Jähriger ausgenutzt hat

- VON MANUELA BAUER

Stauden Semmeln im Wert von 1657 Euro, frisch geliefert vor die Haustür: Ein junger Mann hat innerhalb eines Monats 14-mal bei dem Bäckerserv­ice aus dem Augsburger Land bestellt. Der lieferte die üppige Brotzeit jeden Morgen pünktlich kistenweis­e bei der Wohngemein­schaft in den Stauden ab. Doch Geld bekommen hat er dafür nie.

Hunderte Semmeln, dazu einige Eimer Wandfarbe, Messer und Beile – es ist eine seltsame Kombinatio­n an Waren, um die es gestern vor dem Amtsgerich­t ging. Doch die Sachen haben eines gemeinsam: Ein 23-Jähriger hat sie im Internet gekauft, aber nie bezahlt. Sie haben einen Wert von mehr als 7000 Euro. Die Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier und Richter Ralf Hirmer waren sich sicher: Da sitzt ein notorische­r Betrüger vor ihnen. Der junge Mann, Schulabbre­cher, arbeitslos, pleite, zehnfach vorbestraf­t, muss jetzt ins Gefängnis. Was mit den Sachen passiert ist, die er im vergangene­n Jahr im Internet bestellt hat, wurde vor Gericht nicht geklärt. Denn der 23-Jährige bestritt alle Vorwürfe und hatte stattdesse­n eine ganz andere Geschichte parat: Alle diese Waren habe sein damaliger Mitbewohne­r bestellt. Mit seinem Namen, seiner Mailadress­e, seiner Bankverbin­dung. Sein Laptop sei schließlic­h in der Vierer-WG für alle zugänglich gewesen. Und auch sein Ausweis, von dem bei einer Bestellung eine Kopie mitgeschic­kt wurde. Denn die Händler hatten sich durchaus abgesicher­t, schilderte­n sie als Zeugen vor Gericht. Sie hatten bei entspreche­nden Anbietern Auskunft über die Zahlungsfä­higkeit des Neukunden eingeholt und keine Warnung erhalten, einmal sogar die Ausweiskop­ie verlangt. Und sie hatten als Zahlungsar­t auf Bankeinzug bestanden. Das Problem: Das Geld wurde abgebucht, die Ware geliefert – und kurz darauf wurde der Betrag wieder zurückgeho­lt, weil der Kontoinhab­er der Lastschrif­t widersproc­hen hatte. Weder die Ware noch das Geld dafür sahen sie je wieder. So ist es nicht nur dem Bäckerserv­ice mit den Hunderten Semmeln ergangen, sondern auch einem Baustoffge­schäft und einem Forstgerät­emarkt. Die beiden Händler aus Niedersach­sen bieten ihre Waren auch im Internet an – und mussten feststelle­n, dass der Onlinehand­el gefährlich sein kann. Beide merkten zwar, dass sie einem Betrüger aufgesesse­n waren – aber erst, als der Angeklagte es wiederholt versuchte und die ersten Pakete schon geliefert waren. Auf der einen Internetse­ite hatte der Angeklagte dreimal Messer und Beile im Wert von fast 500 Euro bestellt, auf der anderen Wandfarbe für mehr als 5000 Euro. Teilweise hatte er dazu einen erfundenen Namen benutzt. Der Baustoffhä­ndler hat seine Farbeimer danach bei E-Bay-Kleinanzei­gen gefunden. Dort wurden sie für einen deutlich geringeren Preis angeboten – mit dem Namen und der Adresse des Angeklagte­n. Und der Backwarena­nbieter hat erst gestern Morgen bemerkt, dass er später auch noch unbezahlte Bestellung­en an die neue Adresse des Angeklagte­n hatte – wiederum mit einem falschen Namen.

Und so war es für die Staatsanwä­ltin „glasklar“, dass der Angeklagte hinter den 17 Betrugsfäl­len steckt. „Sie haben uns eine ganz nette Geschichte erzählt“, meinte sie. „Aber das haben Betrüger so an sich, dass sie gut reden können und schnell eine Ausrede parat haben.“Es war nämlich keineswegs das erste Mal, dass der 23-Jährige Ärger hatte: Im Bundeszent­ralregiste­r stehen zehn Vorstrafen, die er in den vergangene­n acht Jahren angesammel­t hat, darunter auch mehrere Betrugsfäl­le. Bisher kam der Mann mit Geld- und Bewährungs­strafe davon, doch damit ist jetzt Schluss: Er muss für ein Jahr und neun Monate ins Gefängnis. Staatsanwä­ltin Ostermeier nannte den Mann einen „krassen Bewährungs­versager“und ärgerte sich insbesonde­re über die hohe Rückfallge­schwindigk­eit: Die Massenbest­ellung beim Backservic­e hatte er nicht einmal einen Monat nach seiner letzten Verurteilu­ng aufgegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany