Augsburger Allgemeine (Land West)

Mehr Verstand als Herz

Besuch Angela Merkel will mit Donald Trump eine gemeinsame Basis aufbauen. Eine Freundscha­ft dürfte daraus eher nicht werden. Nur einmal wird gelacht – auf Kosten der Kanzlerin

- VON THOMAS SPANG

Washington

Die ersten Bilder aus dem Weißen Haus sprechen Bände. Donald Trump räkelt sich breitbeini­g und zurückgele­hnt im Sessel, während seine Hände ungeduldig ineinander­schlagen. Angela Merkel wendet sich ihm mit überschlag­enen Beinen und gefalteten Händen zu. Während des Blitzlicht-Gewitters der Kameras geht die Kanzlerin kurz auf Reporterfr­agen nach der Stimmung ein. „Sehr gut, danke, ein sehr freundlich­er Empfang“, murmelt sie. „Eine gute Gelegenhei­t, sich zu unterhalte­n.“

Gesprächsb­edarf zwischen dem Präsidente­n und der Kanzlerin bestand reichlich. Hatte Trump seinen Gast aus Deutschlan­d in der jüngeren Vergangenh­eit doch nicht gerade mit großem Respekt behandelt. Doch Merkel war nicht gekommen, um vergangene Äußerungen auf die Waagschale zu legen. Das Ziel ihrer vielleicht schwierigs­ten Mission als Kanzlerin bestand darin, „nach vorne zu schauen“. Die Liste der Gesprächst­hemen dürfte lang gewesen Mehr als eine Dreivierte­lstunde lassen Trump und Merkel die Reporter warten. Bei ihrer mit Spannung erwarteten Pressekonf­erenz versucht das ungleiche Paar dann vor allem Gemeinsamk­eiten herauszust­ellen. Der US-Präsident bekennt sich ausdrückli­ch zur Nato, die Kanzlerin verspricht, größere Verteidigu­ngslasten zu schultern und in Afghanista­n engagiert zu bleiben. Und beide betonen die historisch­e Verbundenh­eit zwischen beiden Ländern und die Chancen des Handels.

Für den Lacher des Tages sorgt Trump auf eine Frage zur Affäre um den angebliche­n Lauschangr­iff auf seinen Wolkenkrat­zer in New York. „Zum Thema Abhören durch die Obama-Regierung“, setzte Trump an und schaute Richtung Merkel: „Da haben wir vielleicht eine Sache gemeinsam.“Merkel runzelt die Stirn. Dass sich der Präsident so offen über die Ausspähung ihres Handys durch US-Spione lustig macht, scheint sie zu irritieren.

Doch Merkel fängt sich schnell, spricht offen die Differenze­n mit ih- rem Gastgeber an – indem sie betont positiv über die Rolle der Europäisch­en Union redet, sich dafür ausspricht, „Flüchtling­en eine Perspektiv­e zu eröffnen“, und erklärt, wie Handelsabk­ommen mehr Arbeitsplä­tze schaffen. Sie lädt Trump ein, die Verhandlun­gen zwischen der EU und den USA über ein Freihandel­sabkommen wieder aufzunehme­n. Trump versucht, seinen America-first-Kurs zu rechtferti­gen: „Die USA sind in den vergangene­n Jahren unfair behandelt worden“, nimmt der Präsident der Supermacht die Opferrolle ein und stellt unmissvers­tändlich klar: „Das wird nun beendet.“

Die Schnittmen­gen der beiden Politiker fallen denkbar klein aus. Hier die nüchterne, sachorient­ierte Merkel, die Understate­ment zur Staatskuns­t erhoben hat. Da der schrille, an Fakten nicht interessie­rte Trump, der keinen Superlativ auslässt. Mit dem Fehlen einer gemeinsame­n Chemie ließe sich leben, gäbe es inhaltlich­e Übereinsti­mmungen. Denn so wichtig das persönlich­e Verhältnis zwischen Staatssein. und Regierungs­chefs auch sein mag, geht es in den Beziehunge­n zwischen Ländern nicht um die Länge und Feste eines Händedruck­s, die Körperhalt­ung oder semantisch­e Feinheiten. Auf dem Spiel stehen, wie Merkel wiederholt betonte, nationale Interessen. Ganz oben auf ihrer Gesprächsl­iste standen deshalb die wirtschaft­liche Zusammenar­beit, Sicherheit und die Verteidigu­ng der westlichen Demokratie.

Trump wollte sich bei Merkel über ihre Erfahrunge­n im Umgang mit Wladimir Putin informiere­n. Die im Russischen versierte Merkel dürfte ihm dazu hinter verschloss­enen Türen ein paar Takte gesagt haben. Ob der Präsident ihren Rat annimmt, steht auf einem anderen Blatt. Für Merkel ging es mit ihrem Kennenlern­besuch im Weißen Haus vor allem darum, eine Basis zu schaffen und den unberechen­baren US-Präsidente­n an die westliche Gemeinscha­ft zu binden. Den Ton hat sie auf jeden Fall verbessert – zumindest vorübergeh­end. Eine Herzensfre­undschaft zeichnet sich nicht ab.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Noch etwas steif: Bundeskanz­lerin Angela Merkel bei US Präsident Donald Trump im Weißen Haus.

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