Augsburger Allgemeine (Land West)
Braune Ödnis im bunten Frühjahr
In allen Parks sprießen die Krokusse und Osterglocken, sogar Tulpen-Blätter lassen sich blicken. Spargelbauern stellen ihre Buden auf, Cafés ihre Stühle raus. Die Anzeichen, dass das Frühjahr blüht, sind unübersehbar. Als gewiefter Hobby-Balkon-Gärtner hat man diesem Moment schon im November entgegengefiebert. Damit es dann mit den ersten Sonnenstrahlen nicht mehr so winterlich braungrau auf dem Balkon ist, sondern frühlingshaft knallbunt, hat man im November Blumenzwiebeln gesteckt. Allerdings ist das mit der Vorfreude so eine Sache. Der Zeitraum von November bis Ende März ist ziemlich lang und das innerliche Jubilieren über den baldigen blumigen Ausblick spätestens im Januar verflogen. Was tun? Einfach noch mal zuschlagen. Diesmal: Bio-Tomatensamen. Der Vorteil: Die Pflänzchen lassen sich ab Ende Februar auf der Fensterbank vorziehen. Bis dahin lässt sich die Lust auf draußen mit dem Einkauf von Aussaat-Erde, kleinen Blumentöpfchen und der Begutachtung der Samentüte stillen. Zum geeigneten Termin befüllt man dann alle Töpfchen mit Erde, legt jeweils ein Körnchen hinein und gießt. Und dann wartet man und wartet und wartet und wartet.
Es folgt ein Blick auf das Samentütchen. Wie lang sollte das dauern, bis da die ersten Sprossen zu sehen sind? Zwei Wochen. Wo bleiben dann die Triebe? Schnell die Taschenlampe holen und eine Lupe gleich dazu. Vielleicht guckt man ja nicht gut genug. Aber nichts. In allen Töpfen. Eine Frühjahrs-Depression setzt ein. Und jetzt? Den Tomaten Mozart vorspielen, damit sie besser wachsen? Den Daumen grün anmalen? Vielleicht fühlen sich die kleinen Keime durch das Mit-der-Taschenlampe-Hineinleuchten beobachtet und kommen deshalb nicht heraus. Ratlos blickt man auf Ödnis in Töpfen. Zum Glück gibt’s Gärtnereien.