Augsburger Allgemeine (Land West)

Inspiriere­nde Sekrete

Forschung I Ein kleiner Wurm sondert eine Substanz ab, die Wissenscha­ftler fasziniert. Lässt sich daraus ein Kleber entwickeln, der Eingriffe an Kinderherz­en einfacher macht?

- VON ANGELA STOLL

München

Am Anfang war der Wurm. Das Geschöpf namens „Phragmatop­oma californic­a“ist wenige Zentimeter lang, lebt an der Küste Kalifornie­ns und lässt sich kaum blicken. Dafür arbeitet es fleißig: Das Tierchen baut Wohnröhren aus Muschelspl­ittern und Sandröhren, die es im Wasser mit einem selbstprod­uzierten Spezialkle­ber zusammenki­ttet. Diese „Wunderspuc­ke“des Sandburgwu­rms ist es, die Forscher seit Jahren fasziniert. Die biologisch­e Protein-Masse hat nämlich Eigenschaf­ten, die chirurgisc­he Eingriffe erleichter­n könnten: Sie ist belastbar, wasserabwe­isend und ungiftig.

Vor rund zehn Jahren hat der USForscher Russell Stewart von der University of Utah begonnen, nach diesem Vorbild einen „Knochenkit­t“zu entwickeln. Es gibt aber noch weitere Versuche, das Sekret zu imitieren. Ein Team von Wissenscha­ftlern, darunter die angehende Münchner Kinderkard­iologin Dr. Nora Lang, hat einen Gewebekleb­er entwickelt, der unter anderem in der Herzchirur­gie nützlich sein könnte: ein wasserabwe­isender Stoff, der sich innerhalb von Sekunden rinnungsei­weiße Fibrinogen und Thrombin, die im Blut vorkommen, werden miteinande­r vermischt, sodass der natürliche Klebstoff Fibrin entsteht.

„Sicher kann die Chirurgie in vielen Bereichen von Gewebekleb­ern profitiere­n“, erklärt der Arzt. Allerdings seien Zahl und Vielfalt der angebotene­n Produkte beinahe unüberscha­ubar. Das könne den einzelnen Chirurgen fast überforder­n, gibt Schlitt zu bedenken: Da jeder Kleber wieder etwas anders angewandt werden müsse, könne das dazu führen, dass die Kleber falsch eingesetzt würden – mit der Folge, dass sie nicht optimal funktionie­rten. Außerdem sind die Kleber nicht immer gut verträglic­h. „Bei FremdEiwei­ßen, etwa tierischen Produkten, besteht natürlich immer die Gefahr einer allergisch­en Reaktion“, warnt Schlitt.

Bei HLAA spricht Lang zufolge derzeit alles dafür, dass er gut vertragen wird. Ob dies aber auch langfristi­g so ist, muss sich erst noch erweisen. „Wir können derzeit nicht ausschließ­en, dass der Kleber Allergien auslösen könnte. Aber bei Tieren haben sich keine Anzeichen dafür gezeigt“, sagt die Ärztin. Bisher wurde der Stoff an Schweinen und

 ?? Foto: Africa Studio, fotolia ?? Ein Herz kann man kleben, sofern es sich um einen künstliche­n Gegenstand handelt. Aber wie sieht es bei „echten“Herzen aus? Auch für solch eine Anwendung werden Kleber erforscht.
Foto: Africa Studio, fotolia Ein Herz kann man kleben, sofern es sich um einen künstliche­n Gegenstand handelt. Aber wie sieht es bei „echten“Herzen aus? Auch für solch eine Anwendung werden Kleber erforscht.

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