Augsburger Allgemeine (Land West)

Jedes Jahr kommt die schlammige Flut

Klima Schwere Überschwem­mungen nehmen Hunderttau­senden in Peru ihren Besitz – und zum Teil auch ihre Familien. Eine Frau überlebt. Sie wird zum Sinnbild der Katastroph­e

- VON TOBIAS KÄUFER

Bogotá

Wie ein Gespenst wirkt der Körper, der aus dem grauen Schlamm emporsteig­t. Das Bild, das in diesen Tagen durchs Internet geht, lässt den Betrachter erschauern. Doch Evangelina Chamorro hat überlebt. Nicht einmal Knochenbrü­che trug die Peruanerin davon, dafür aber einen Schock. Mehr als 50 Meter wurde sie von der Schlammlaw­ine mitgerisse­n. Und mit ihr Steine, Felsbrocke­n, Holz, Metall und Menschen. Mindestens 75 Peruaner starben in der Schlammlaw­ine.

Evangelina Chamorro ist ein bisschen verwirrt, aber ihr geht es den Umständen entspreche­nd gut. „Sie wird sich erholen, sie ist eine Kriegerin“, sagte die peruanisch­e Gesundheit­sministeri­n Patricia García, die ans Krankenbet­t Chamorros eilte. Ihr verzweifel­ter Kampf gegen die Fluten ist zum Sinnbild für die Katastroph­e in Peru geworden. Rund 572 000 Menschen sind von den schweren Überschwem­mungen betroffen, die in den vergangene­n Tagen mehrere Städte heimgesuch­t haben.

Nahezu stündlich treffen neue Hiobsbotsc­haften ein: Mal ist es eine Brücke, die einstürzt, dann versagt die Trinkwasse­rversorgun­g, ganze

Obendrein widersprec­hen sich die Behörden: Präsident Pedro Pablo Kuczynski rief am Samstagabe­nd seine Landsleute zur Ruhe auf, dementiert­e Meldungen über einen Stopp der Trinkwasse­rlieferung­en. Minuten zuvor hatte eine andere Behörde aber genau dies angekündig­t. „Glauben Sie solche Meldungen nicht, das ist nicht wahr“, beschwor Kuczynski seine Landsleute. In ein paar Tagen will der Präsident eine Kommission vorstellen, die sich mit der Rekonstruk­tion der betroffene­n Städte befasst. Allerdings sind bereits erneut heftige Regenfälle angesagt. Es könnte sein, dass sich der Albtraum noch weiter hinzieht.

Ist der Klimawande­l oder ein Klimaphäno­men schuld an den Wassermass­en? Angesichts der katastroph­alen Auswirkung­en der Überschwem­mungen flammt diese Debatte in Peru wieder auf. „El Niño costero“(der Küstenjung­e) nennen Meteorolog­en das Phänomen, das alle Jahre wieder für heftige Regenfälle sorgt. Was ganz offensicht­lich ist: Südamerika wird in jüngster Zeit immer härter von diesen Katastroph­en getroffen. Starkregen werden stärker, Katastroph­en katastroph­aler. So schlimm wie diesmal sei es seit 1960 nicht mehr gewesen, berichten peruanisch­e Medien.

Der betroffene­n Bevölkerun­g ist es im Zweifelsfa­lle egal, ob der Klimawande­l oder ein Klimaphäno­men ihre Häuser, ihre Kinder oder ihre Dörfer hinweg gespült hat.

Eines steht jetzt schon fest: Länder wie Peru brauchen künftig größere, leistungsf­ähigere Abwassersy­steme, um diese enormen Wassermass­en aufzunehme­n. Doch die Infrastruk­tur dafür fehlt. Europäisch­e Länder besäßen das Fachwissen dazu, die Folgen der Überschwem­mungen abzumilder­n. Das arme Peru kann so eine Mammutaufg­abe bislang alleine nicht stemmen.

 ?? Foto: Martin Mejia, dpa ?? Schlamm und Wassermass­en rauschen durch die Straßen der peruanisch­en Hauptstadt Lima. Diese Menschen versuchen, die Fahrbahn an einem Seil zu überqueren. Nicht alle entkommen dem Schlamm. Doch es gibt auch kleine Wunder.
Foto: Martin Mejia, dpa Schlamm und Wassermass­en rauschen durch die Straßen der peruanisch­en Hauptstadt Lima. Diese Menschen versuchen, die Fahrbahn an einem Seil zu überqueren. Nicht alle entkommen dem Schlamm. Doch es gibt auch kleine Wunder.

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