Augsburger Allgemeine (Land West)
Neues Mitglied im Klub der Klassenkämpfer
Mit Verallgemeinerungen gilt es vorsichtig umzugehen. So dachten die deutschen Fans über Jahrzehnte hinweg, dass jeder von einem Deutschen geschossene Elfmeter sicher im Tor landen würde, ehe Uli Hoeneß den Ball im Belgrader Nachthimmel verschwinden ließ. Erstaunen in Deutschland und wieder mal der Beleg: keine Regel ohne Ausnahme. Die logische Folgerung daraus ist, dass auch diese Regel eine Ausnahme hat. Klingt komplizierter, als es ist.
So legen sämtliche Rentner Wert darauf, ihren Wocheneinkauf am Samstag zu erledigen, wenn auch die erwerbstätige Bevölkerung Angebote in wahnwitzigen Mengen aus dem Discounter schleppt.
Der sintflutartige Regenschauer ist immer für den Tag angekündigt, an dem der Familienausflug in den Wald geplant ist. Will sagen: Es gibt auch Regeln ohne Ausnahme. Eines der bekanntesten Prinzipien lautet, dass hierzulande das Glas immer halb leer ist. Bei 15 Grad und Sonnenschein freut man sich nicht über das Frühlingswetter, sondern beklagt das Fehlen einer Übergangsjacke.
Selbstverständlich strahlt diese missmutige Einstellung auch auf den Sport aus. Statt sich einfach mal daran zu erfreuen, dass der FC Bayern ohne nennenswerte Anstrengung zur fünften Meisterschaft in Folge kommt, lamentiert der Fan, dass früher alles besser gewesen sei. Da sollen sogar Mannschaften wie Kaiserslautern oder Stuttgart die Schale gewonnen haben. Heute kämpft keiner mehr um den Meistertitel. Auf die Europa League hat auch keiner so richtig Lust. Dreifachbelastung, Reisen in ostukrainische Metropolregionen, die sich in keinem Atlas wiederfinden. Und: kaum Möglichkeit, richtig Geld zu machen.
Was bleibt, ist klar. Eine halbe Liga kämpft um den Klassenerhalt. Wobei: Es wird ja immer gegen etwas gekämpft. Hier nun also gegen den Abstieg. Der ist böse. Bundesligafußball ist wichtig für die Region. Egal ob in der schwäbischen Provinz oder der Norddeutschen Tiefebene. Da hängen Arbeitsplätze dran. Neuestes Mitglied bei den Klassenkämpfern ist Leverkusen. Dass die Bayer-Elf in der unteren Tabellenhälfte angekommen ist, darf als logisch bezeichnet werden. Schließlich ist das Team so etwas wie die Sport gewordene deutsche Miesepetrigkeit. Geführt von einem Mann, der in jüngeren Jahren auf den Namen Tante Käthe gehört hat. Der mittlerweile aber hauptsächlich durch Klagen und Beklagen auffällt. Ein Verein, der sich stets um Anerkennung müht, aber bei keinem wirklich beliebt ist. Ein Mini-Deutschland in Liga eins. Die Leverkusener allerdings machen den Eindruck, der Gefahr hilflos gegenüber zu stehen. Das ist immer eine schlechte Ausgangssituation. Ohne Ausnahme.