Augsburger Allgemeine (Land West)

Kaum Protest gegen Erdogan

Aktion Der Kundgebung am Königsplat­z blieben viele Türken fern. Die Veranstalt­er spekuliere­n über die Gründe. Besser besucht war die Flüchtling­s-Demo

- VON EVA MARIA KNAB

Es hätte eine große Protestakt­ion gegen die Politik des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan werden sollen. Tatsächlic­h blieben bei der Kundgebung am Samstagmit­tag am Königsplat­z weitgehend die Teilnehmer weg. Nur etwa 25 Besucher kamen, um gegen Erdogans geplantes Präsidials­ystem zu demonstrie­ren. Befürworte­r argumentie­ren, es sei vergleichb­ar mit den USA und Frankreich. Kritiker befürchten eine Diktatur.

Mitveranst­alter Emil Bauer vom Internatio­nalistisch­en Bündnis erklärte das fehlende Echo auf den Aufruf zum Protest so: Im Vorfeld hätten sich zahlreiche Teilnehmer zur Veranstalt­ung angemeldet, darunter viele Türken. Nun hätten aber offenbar viele Angst bekommen, sich öffentlich als ErdoganKri­tiker zu outen. Ähnliche Vermutunge­n hat einer der wenigen Besucher der Kundgebung, Künstler Yasar Dogan. Er sagt, Erdogan spalte die Türken auch in Augsburg. Die Stimmung sei aufgeheizt. Viele hätten inzwischen Angst, öffentlich ihre Meinung zu sagen, besonders wenn sie Kritiker des türkischen Präsidente­n seien. Dogan erzählt, dass die Auslandsab­teilung der Regierungs­partei AKP sehr stark in bestimmten Vereinigun­gen der Türken in Deutschlan­d präsent sei, auch in Augsburg. Erdogan-Kritiker werden nach seinen Erfahrunge­n eingeschüc­htert.

Wer Erdogans Referendum für ein Präsidials­ystem in der Türkei ablehnt, werde automatisc­h als Anhänger der Gülen-Bewegung, als Anhänger der Kurdenpart­ei PKK oder als Terrorist abgestempe­lt, so Dogan. Bei Befürworte­rn des Präsidente­n höre er oft den Satz: „Erdogan ist unser Führer, wir machen, was er für gut hält.“Für Dogan ist diese Haltung ein Ergebnis einer jahrelange­n Propaganda­arbeit des Erdogan-Regimes. Er wünscht sich, dass Kanzlerin Angela Merkel und Minister der Bundesregi­erung Erdogans Politik entschiede­ner entge- gentreten. Auch die Veranstalt­er der Kundgebung, ein politisch links gerichtete­s Bündnis, sprechen von einer „aggressive­n Innen- und Außenpolit­ik“der türkischen Regierung. Erdogan gehe mit brutaler Härte gegen Kritik und Opposition vor. Mehr als 120 000 Menschen seien deshalb aus dem Öffentlich­en Dienst entlassen worden. 80 000 seien festgenomm­en und 40000 verhaftet worden. Mehr als 200 Zeitungen und andere opposition­elle Medien seien inzwischen verboten oder unter Zwangsverw­altung gestellt. Gegen diese Politik müsse sich auch in Deutschlan­d Widerstand regen, so Bauer.

Deutlich mehr Teilnehmer kamen am Samstag zu einer anderen Demonstrat­ion in der Innenstadt. Sie richtete sich gegen eine Abschiebun­g von Flüchtling­en in Krieg und Perspektiv­losigkeit. Der Augsbur- ger Flüchtling­srat zählte als Veranstalt­er rund 250 Besucher, darunter zahlreiche Migranten. Angesichts des schlechten Wetters sei man mit dieser Zahl zufrieden, hieß es. Bei früheren Demos waren es aber auch schon wesentlich mehr Besucher.

Nuria Garcia vom Augsburger Flüchtling­srat kritisiert­e, dass in Deutschlan­d weiterhin Flüchtling­e nach Afghanista­n abgeschobe­n werden, obwohl Experten die Lage dort als instabil einstufen und das Auswärtige Amt vor Reisen nach Afghanista­n warnt. Die Bayerische Staatsregi­erung übe zunehmend Druck auf Hilfsverbä­nde aus. Laut Garcia droht das Sozialmini­sterium inzwischen Wohlfahrts­verbänden mit einem Entzug der Förderung, wenn sie Hinweise des Flüchtling­srates weitergebe­n, wie sich Betroffene Abschiebun­gen entziehen können. Das Ministeriu­m habe die Verbände auch aufgeforde­rt, keine Rechtsbera­tung mehr für Flüchtling­e zu geben, denen eine Abschiebun­g bevorsteht. „Solche Drohungen und Eingriffe in die Arbeit von Asylsozial­beratern sind für einen Rechtsstaa­t inakzeptab­el“, so Garcia.

Aus Sicht von Tülay Ates-Brunner vom Verein „Tür an Tür“führt die bayerische Asylpoliti­k zu Unfrieden in der Gesellscha­ft. Bei der Auseinande­rsetzung gehe es auch um die Deutungsho­heit über das Zusammenle­ben in der Gesellscha­ft. Offenbar seien manche der etablierte­n Parteien so beeindruck­t von medienwirk­samen Provokatio­nen der Rechten, dass sie „rassistisc­he, flüchtling­sfeindlich­e und islamophob­ische Propaganda“übernehmen, so Ates-Brunner, weil sie glauben, damit erfolgreic­h zu sein. Damit verschiebe sich das gesamte politische Spektrum nach rechts.

„Kritiker werden eingeschüc­htert“

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Fotos: Silvio Wyszengrad Nur etwa 25 Besucher kamen am Samstag zu der Protestakt­ion gegen das geplante Präsidials­ystem des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Viele angemeldet­e Tür ken hätten wohl Angst bekommen, glauben die Veranstalt­er.
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Rund 250 Teilnehmer zählte der Augs burger Flüchtling­srat bei seiner Demo.

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