Augsburger Allgemeine (Land West)

Spatz, bleib doch

Tierschutz Seit Jahrtausen­den begleitet der Vogel den Menschen. Warum dieses gute Verhältnis nun gestört ist

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München

Mit Kanonen auf Spatzen schießen – so sagt man, wenn jemand zu viel Wirbel um eine Lappalie macht. Wem ein Spatzenhir­n attestiert wird, der hat intellektu­ell vermeintli­ch wenig zu bieten. Und es gibt Liebende, die einander Spatz nennen. Auch hat man in der Regel lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach. Der Spatz, das zeigt diese kleine Auswahl an Redensarte­n, ist in aller Munde. Der kleine, braun gemusterte Vogel, der häufig in Gruppen unterwegs ist und dabei eine Menge Gezeter veranstalt­et, wirkt so gewöhnlich – und hat doch einen festen Platz im Sprachscha­tz der Menschen.

Das hat seine Gründe. Der Spatz, oder Haussperli­ng, wie die Art korrekt heißt, ist ein Kulturfolg­er. Vor einigen Jahrtausen­den hat der Spatz festgestel­lt, wie gut er es in der Nähe von Menschen hat. Dass dort immer ein paar Krumen abfallen, die er wegschnapp­en kann, dass in den Hütten immer irgendwo eine Ritze frei ist, in der er seine Eier ausbrüten kann. „Es war super für den Spatz, bei uns zu leben“, sagt die Spatzen-Expertin beim Landesbund für Vogelschut­z (LBV), Lorena Heilmaier. Also hat er sich den Menschen an die Fersen geheftet und folgte ihnen bis in die Städte. Doch bald könnte er von der Bildfläche verschwund­en sein: Der Spatz ist vom Aussterben bedroht.

Das Bayerische Landesamt für Umwelt führt den Vogel seit 2016 in der Roten Liste der gefährdete­n Tiere Bayerns. „Die Bestände des Haussperli­ngs sind rückläufig, der kurzfristi­ge Bestand zeigt einen Rückgang um mehr als 20 Prozent“, sagt ein Sprecher. LBV-Expertin Heilmaier formuliert es so: „Als Charakterv­ogel der bayerische­n Biergärten ist der Hausspatz auf der Suche nach Brezenbrös­eln unter vielen Biertische­n im Freistaat mittlerwei­le verschwund­en.“

Das liegt unter anderem daran, dass der Spatz kaum noch Nahrung findet. Am liebsten mag er Insekten und Grassamen. An beiden mangele es ihm mittlerwei­le, vor allem in den Städten, sagt Christine Margraf vom Bund Naturschut­z in Bayern. „Wegen der intensiven Landwirtsc­haft finden die Hausspatze­n weniger Insekten.“Gleichzeit­ig führe das sorgsame und regelmäßig­e Trimmen von Rasenfläch­en dazu, dass die Pflanzen dort nicht zum Blühen und Fruchten kommen. Der Vorliebe für englischen Rasen falle somit die zweite Nahrungsqu­elle der Spatzen zum Opfer.

Außerdem gibt es für den Spatz nur noch wenige Brutplätze. „Spatzen nisten in Gebäudenis­chen“, sagt Margraf. Im Zuge von Gebäudesan­ierungen und wegen der energetisc­hen Bauweise gingen allerdings viele solcher Plätze verloren. „Es ist durchaus positiv, dass Gebäude saniert werden, aber man sollte dabei Hohlräume und Nistnische­n erhalten“, rät die Biologin.

Es gibt viele Möglichkei­ten, wie der Mensch den Vogel retten kann, der ihn über Jahrtausen­de begleitet hat. So empfiehlt Margraf, Kästen am Haus anzubringe­n, in denen Spatzen nisten können. Gerne auch mehrere nebeneinan­der, denn Spatzen sind gesellig. Wer einen größeren Garten hat, könne Hecken anlegen, in denen die Vögel sich gerne tummeln. Oder seinen Rasen einfach mal wachsen lassen, ohne ihn ständig zu mähen.

Wera Engelhardt, dpa

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Foto: Fotolia Er gehört seit jeher ins Stadtbild, der Spatz. Doch der kleine, braun gemusterte Vo gel, der so schön tschilpt, ist vom Aussterben bedroht.

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