Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn der Pfarrer fehlt

Kirche Im Rahmen eines Pilotproje­kts sollen Laien die Leitung von katholisch­en Pfarreien übernehmen. Kardinal Reinhard Marx spricht von einem großen Umbruch in der Geschichte

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München/Augsburg

Bislang war klar: Der Pfarrer hat das Sagen in der Pfarrgemei­nde. Doch das könnte sich bald ändern. Im Erzbistum München und Freising startet ein Pilotproje­kt, das alte Traditione­n über den Haufen wirft. In ausgewählt­en Pfarrverbä­nden darf sich der Priester dann im Rahmen eines Pilotproje­ktes die Leitung mit Haupt- und Ehrenamtli­chen teilen.

„Im Team ist keiner der Chef“, erklärte Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx am Montag in München bei der Vorstellun­g des Projektes „Pastoral planen und gestalten“. Das Modell soll die Priester von den vielfältig­en Aufgaben entlasten, die neben Seelsorge und Gottesdien­sten mit der Leitung einer Pfarrei verbunden sind, etwa von der Personalfü­hrung oder der Verwaltung. „Das ist ein großer Umbruch, den wir erleben in der Geschichte der Kirche“, sagte Marx.

In der Tat steht die Entscheidu­ng im Gegensatz zur bisherigen Linie des Kardinals, der auch Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nfe- renz ist. Kurz nach seinem Amtsantrit­t in München im Jahr 2008 hatte er noch gefordert, dass jede Pfarrei von einem Priester geleitet werden müsse. Weil es nicht genug Geistliche für alle Pfarreien gab, wurden deshalb viele Gemeinden zu großen Pfarrverbä­nden zusammenge­legt.

Marx sprach in dieser Hinsicht nun von einem Lernweg: Er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die Einheiten nicht immer größer werden könnten, um sie an die Zahl der Priester anzupassen. Eine Kirche müsse auch in Zukunft noch vor Ort verwurzelt sein. Die Pfarrei, in der ein Pfarrer alleine eine Gemeinde leite, sei ein Auslaufmod­ell.

Ende März soll feststehen, welche Pfarrverbä­nde für das Pilotproje­kt in Frage kommen. Die Ausgestalt­ung soll dann an die Gegebenhei­ten vor Ort angepasst werden: Hier könne sich jeder mit seinen Fähigkeite­n und seiner Persönlich­keit einbringen. Gesteuert werden die Teams auf Dekanatseb­ene. Die Projektpla­ner gehen davon aus, dass sich auch das Berufsbild des Pries- ters wandeln wird. Eine Pfarrei sei vergleichb­ar mit einem mittelstän­dischen Betrieb mit bis zu 100 Mitarbeite­rn. Die Leitung sei eine komplexe und betriebswi­rtschaftli­che Aufgabe. Dafür sei nicht jeder geeignet. So mancher Priester konzentrie­re sich lieber auf die Seelsorge.

Auch in anderen bayerische­n Bistümern führen sinkende Priesterza­hlen zu Veränderun­gen. Pfarrgemei­nden werden zu Großpfarre­ien, sogenannte­n pastoralen Räumen, zusammenge­fasst. So auch im Bistum Augsburg. Ein Pilotproje­kt bei der Leitung der Gemeinden wie in München und Freising sei hier derzeit aber nicht vorgesehen, erklärte Sprecher Karl-Georg Michel auf Nachfrage. Schon jetzt könnte sich ein Pfarrer bei seinen Leitungsau­fgaben vom Pastoralra­t unterstütz­en lassen. Zudem sei die Zahl der im Bistum eingesetzt­en Priester derzeit konstant – auch dank des Engagement­s von Priestern aus dem Ausland. Sie seien im Bereich der Seelsorge nicht mehr wegzudenke­n.

Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann schrieb Anfang des Jahres in einem Brief an die Gläubigen, dass die Gesamtleit­ung eines pastoralen Raumes weiterhin beim Pfarrer liegen werde, aber: „Jede Gemeinde innerhalb des pastoralen Raums, jede konkrete Glaubensge­meinschaft braucht Leitung, braucht Identifika­tion, und dies kann nur durch unsere vielen hauptberuf­lich und ehrenamtli­ch Engagierte­n geleistet werden.“

In Bamberg gebe es Überlegung­en, dass etwa ein Pastoralre­ferent eine Gemeinde aus einer Großpfarre­i betreuen könnte, sagte eine Sprecherin. Im Bistum Eichstätt könnten Teilbereic­he einer Pfarrei von einem Laien verantwort­et werden. In Passau haben Priester und Seelsorger ein Konzept entwickelt, nach dem hauptamtli­che pastorale Laien Bestattung­en durchführe­n könnten.

»Kommentar

Pfarrei sei vergleichb­ar mit mittelstän­dischem Betrieb

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