Augsburger Allgemeine (Land West)

Mutter ärgert sich über Handy Plakate

Familienal­ltag Eine Aktion aus dem Augsburger Landratsam­t wird kontrovers diskutiert: Lenkt das Smartphone die Mütter wirklich von ihren Kindern ab? Die Bloggerin und zweifache Mutter Lisa Figas macht ihrem Ärger Luft

- VON INA KRESSE

Augsburg

Wie Eltern in der Gegenwart ihrer Kinder mit dem Handy umgehen sollten, darauf macht seit Jahresbegi­nn eine Plakatakti­on des Landratsam­tes Augsburg aufmerksam. „Sprechen Sie lieber mit ihrem Kind“, lautet das Motto. Darüber hat sich eine Mutter so geärgert, dass sie einen Blogbeitra­g schrieb. Der löste eine Diskussion aus.

Wie berichtet, erhoffen sich die Initiatore­n von Eltern einen bewusstere­n Umgang mit dem Smartphone. 5000 Postkarten und mehr als 1000 Plakate wurden in öffentlich­en Gebäuden, wie Schulen, Kitas oder Büchereien verteilt. Sie zeigen eine Frau, die in ihr Handy schaut, nicht aber in den Kinderwage­n. Unlängst thematisie­rte der Bayerische Rundfunk in dem Magazin „Quer“ebenfalls die Plakate. Da reichte es Lisa Figas. Die Mutter von zwei kleinen Kindern hatte sich bereits nach unserer Berichters­tattung über die Kampagne geärgert, jetzt platzte der 31-jährigen Augsburger­in endgültig der Kragen. „Stinkewüte­nd habe die Aktion des Landkreise­s Augsburg sie gemacht“, beginnt Figas ihren Blog „HausHofKin­d“, in dem sie unter anderem über Erlebnisse aus dem Familienal­ltag schreibt.

„Was mich besonders an den Augsburger Plakaten nervt, ist, dass sie ganz gezielt auf das schlechte Gewissen der Eltern abzielen, anstatt sinnvolle Vorschläge zu bringen“, kritisiert die Frau, die als Projektlei­terin in Teilzeit arbeitet. Als Mutter fühle sie sich verhöhnt, weil die Aufforderu­ng auf den Plakaten an der Lebensreal­ität von Eltern vorbeigehe. Für Figas ist das Smartphone ein wichtiges Instrument, um die Familie und den Alltag zu organisier­en und mit anderen Müttern in Kontakt zu bleiben. Ohne Handy sei der Alltag kaum noch zu bewältigen. „Wären wir nicht ziemlich dämliche Eltern, wenn wir nicht die uns zur Verfügung stehende Technik nutzen, um uns und unsere Familien zu organisier­en?“, fragt sich die 31-Jährige. Sie fühlt sich bevormunde­t. Annemarie Neher, Sprecherin des Augsburger Landratsam­ts, betont dagegen: „Wir wollen nicht gegen etwas sein, sondern auf die Thematik aufmerksam machen und Eltern sensibilis­ieren.“Bislang habe man nur positives Feedback erhalten.

Lisa Figas, die gestern in einem Radiointer­view auf Bayern2 zu dem Thema zu hören war, findet hingegen, dass die Aktion das Thema absurd reduziert. „Als Eltern kann sich dabei nur schlecht fühlen.“Natürlich gehe es nicht, wenn Eltern ihre Aufsichtsp­flicht verletzten. Aber es sollte jedem selbst überlassen bleiben, wann und warum er in sein Smartphone schaue. Die aktuelle Kritik der Augsburger Mutter wurde vor allem auf Facebook diskutiert, aber auch unter ihrem Blogbeitra­g. Eine Frau kommentier­te etwa, dass es klar sein muss, dass Kinder Vorrang haben. Aber ab und zu müsse man eben auch aufs Smartphone schauen und dürfe deswegen nicht verurteilt werden. Eine andere fordert flexible Arbeitsmod­elle, „die Raum lassen für ,E-mail-freie’ und ,Termin-organisier-freie’ Zeiten, in denen das Handy dann auch wirklich weggelegt werden kann.“Das Smartphone sei ja auch oft wegen der Arbeit angeschalt­et, wendet eine weitere Frau in der Facebook-Diskussion­srunde ein. Sie fügt dazu: „Hat früher jemanden Papas und Mamas geraten, mal vom Webstuhl aufzustehe­n und sich mehr dem Kind zu widmen? Die hätten was gehustet.“

Die Kampagne „Sprechen Sie lieber mit ihrem Kind“ist bislang einzigarti­g in Deutschlan­d. „Sie wurde von uns initiiert“, sagt Landratsam­t-Sprecherin Neher. Wie berichman tet, war der Anlass ein Erlebnis, das Brigitte Maly-Motta bei einem Friseur hatte. Die Leiterin der Fachstelle frühe Hilfen im Landratsam­t beobachtet­e, wie ein kleines Mädchen sich partout die langen, lockigen Haare nicht kürzer schneiden lassen wollte. Wenn die Friseurin ansetzte, brach die Kleine in Tränen aus. Die Mutter des Kindes schaute während des kleinen Dramas jedoch in ihr Handy. „Für mich war in dem Moment klar, wir müssen uns über das Simsen, Surfen und Telefonier­en von Eltern Gedanken machen“, sagte Maly-Motta einst in einem Interview mit unserer Zeitung.

Natürlich sei es nicht nett, etwas anderes zu tun, während ein Schutzbefo­hlener in seelischen Nöten stecke. Das findet auch Lisa Figas. „Doch von all den Dingen, die in unserem Alltag das Leben von Kindern (negativ) beeinfluss­en, musste sich der Landkreis Augsburg genau das eine Thema heraussuch­en“, schreibt sie in ihrem Blog. Viel sinnvoller hätte sie praktische Tipps für einen bewussten Umgang mit Smartphone­s gefunden. Figas gibt ein Beispiel: „Gewöhne deine Freunde daran, nicht innerhalb einer Minute zu antworten, sondern wenn du Zeit hast.“

Für Figas ist das Handy ein nützlicher Helfer. Die Mutter will es nicht missen. Auch, weil ihr das Smartphone Abwechslun­g bietet, wenn die Kinder spielen. „Dann lese ich darauf auch gerne mal Fachlitera­tur. Ich habe studiert und einen anspruchsv­ollen Beruf und plötzlich wechsle ich nur Windeln. Dann ist das meine Art Beschäftig­ung zu suchen.“Sie findet, es sollte jedem selbst überlassen bleiben, wie er sich zwischendu­rch ablenkt. Und wenn es nur ein banales Spiel auf dem Handy ist. „Zu diskutiere­n, ob das unmoralisc­h ist, geht zu weit.“I www.haushofkin­d.de/wir boesen boe sen muetter/

Der Blogbeitra­g steht unter

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Lisa Figas hat sich über die jüngste Plakatakti­on zum Thema Eltern geärgert, weil sie sich bevormunde­t fühlt. In ihrem Internet blog „HausHofKin­d“schreibt sie unter anderem über ihre Erlebnisse aus dem Familienal­ltag.
Foto: Jakob Stadler Lisa Figas hat sich über die jüngste Plakatakti­on zum Thema Eltern geärgert, weil sie sich bevormunde­t fühlt. In ihrem Internet blog „HausHofKin­d“schreibt sie unter anderem über ihre Erlebnisse aus dem Familienal­ltag.

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