Augsburger Allgemeine (Land West)
Mehrjährige Haftstrafen für Krawatten Einbrecher
Justiz Das Landgericht erkennt auf schweren Bandendiebstahl. Warum die Täter auch Lippenstift dabei hatten
Augsburg
Es waren raffiniert organsierte Wohnungsaufbrüche, die ab Mai 2015 die Polizei anfangs vor Rätsel stellten. Die Einbrecher suchten sich stets Mehrfamilienhäuser aus. Und sie kamen tagsüber, wenn sie wussten, dass kaum jemand zu Hause war. Nur in München hatte sie Pech. Ein Mieter überraschte zwei der Einbrecher auf frischer Tat, was letztlich half eine Serie von Wohnungseinbrüchen in Augsburg, Gersthofen und Neusäß aufzuklären. Drei Männer – Ungarn Alter zwischen 37 und 45 Jahren – konnten unter dringendem Tatverdacht festgenommen werden. Ein Landsmann ist noch flüchtig.
Von der 1. Strafkammer des Landgerichts Augsburg sind die drei Männer gestern zu Haftstrafen zwischen viereinhalb und sechs Jahren verurteilt worden. Die Richter sprachen sie des schweren Bandendiebstahls schuldig. Die Angeklagten hatten in dem dreitägigen Prozess gestanden – allerdings erst nach einem Deal, den ihre Verteidiger mit Staatsanwalt und Gericht ausgehandelt hatten. Schon nach seiner Fest- nahme hatte einer der Tatverdächtigen der Polizei von einer geklauten Pistole erzählt. Bei einem Einbruch in Neusäß hatten sie diese neben Uhren entwendet. Pikant daran ist: Der Geschädigte hatte den Verlust bis dato der Polizei nicht gemeldet.
Bis zu seiner Festnahme hat der mit 45 Jahren älteste der Angeklagten in Augsburg gearbeitet, wo er auch wohnt. Im Mai 2015 bekam er Besuch aus Ungarn. „Wir haben gesprochen, wie wir zusammen Einbrüche begehen können.“Zu den Tatorten, wo sie sich Tage vorher umgesehen hatten, fuhren sie in eiim nem Auto und einem Kleinlaster. Der in Augsburg lebende Ungar spricht als einziger deutsch. Seine Aufgabe war es, unter einem Vorwand an Wohnungstüren zu klingeln – gut gekleidet mit Anzug und Krawatte. Öffnete niemand, betraten seine Komplizen das Haus, ebenfalls gut gekleidet. Niemand sollte Verdacht schöpfen, wenn ihnen ein Hausbewohner begegnete. Der 45-Jährige behielt dann von seinem Laster aus die Straße im Auge. Mittels Handy stand man in ständigem Kontakt. Auch auf Fälle, wo Wohnungsnachbarn sie durch den Türspion hätten beobachten können, waren die Täter vorbereitet. Sie verschmierten vorsichtshalber die Gucklöcher mit einem LabelloLippenstift.
Die Einbrecher nahmen alles mit, was ihnen nützlich erschien: vom Hosengürtel bis zum Laptop. Der Gesamtschaden liegt laut Polizei bei 39 000 Euro. Schwerer als der materielle Verlust wiegt für einige Geschädigte der seelische Schaden. Darauf wies Richter Claus Pätzel in der Urteilsbegründung in: Sie seien ängstlich und litten, wie Zeugen erzählten, unter Schlaflosigkeit.