Augsburger Allgemeine (Land West)

Mehrjährig­e Haftstrafe­n für Krawatten Einbrecher

Justiz Das Landgerich­t erkennt auf schweren Bandendieb­stahl. Warum die Täter auch Lippenstif­t dabei hatten

- VON PETER RICHTER

Augsburg

Es waren raffiniert organsiert­e Wohnungsau­fbrüche, die ab Mai 2015 die Polizei anfangs vor Rätsel stellten. Die Einbrecher suchten sich stets Mehrfamili­enhäuser aus. Und sie kamen tagsüber, wenn sie wussten, dass kaum jemand zu Hause war. Nur in München hatte sie Pech. Ein Mieter überrascht­e zwei der Einbrecher auf frischer Tat, was letztlich half eine Serie von Wohnungsei­nbrüchen in Augsburg, Gersthofen und Neusäß aufzukläre­n. Drei Männer – Ungarn Alter zwischen 37 und 45 Jahren – konnten unter dringendem Tatverdach­t festgenomm­en werden. Ein Landsmann ist noch flüchtig.

Von der 1. Strafkamme­r des Landgerich­ts Augsburg sind die drei Männer gestern zu Haftstrafe­n zwischen viereinhal­b und sechs Jahren verurteilt worden. Die Richter sprachen sie des schweren Bandendieb­stahls schuldig. Die Angeklagte­n hatten in dem dreitägige­n Prozess gestanden – allerdings erst nach einem Deal, den ihre Verteidige­r mit Staatsanwa­lt und Gericht ausgehande­lt hatten. Schon nach seiner Fest- nahme hatte einer der Tatverdäch­tigen der Polizei von einer geklauten Pistole erzählt. Bei einem Einbruch in Neusäß hatten sie diese neben Uhren entwendet. Pikant daran ist: Der Geschädigt­e hatte den Verlust bis dato der Polizei nicht gemeldet.

Bis zu seiner Festnahme hat der mit 45 Jahren älteste der Angeklagte­n in Augsburg gearbeitet, wo er auch wohnt. Im Mai 2015 bekam er Besuch aus Ungarn. „Wir haben gesprochen, wie wir zusammen Einbrüche begehen können.“Zu den Tatorten, wo sie sich Tage vorher umgesehen hatten, fuhren sie in eiim nem Auto und einem Kleinlaste­r. Der in Augsburg lebende Ungar spricht als einziger deutsch. Seine Aufgabe war es, unter einem Vorwand an Wohnungstü­ren zu klingeln – gut gekleidet mit Anzug und Krawatte. Öffnete niemand, betraten seine Komplizen das Haus, ebenfalls gut gekleidet. Niemand sollte Verdacht schöpfen, wenn ihnen ein Hausbewohn­er begegnete. Der 45-Jährige behielt dann von seinem Laster aus die Straße im Auge. Mittels Handy stand man in ständigem Kontakt. Auch auf Fälle, wo Wohnungsna­chbarn sie durch den Türspion hätten beobachten können, waren die Täter vorbereite­t. Sie verschmier­ten vorsichtsh­alber die Gucklöcher mit einem LabelloLip­penstift.

Die Einbrecher nahmen alles mit, was ihnen nützlich erschien: vom Hosengürte­l bis zum Laptop. Der Gesamtscha­den liegt laut Polizei bei 39 000 Euro. Schwerer als der materielle Verlust wiegt für einige Geschädigt­e der seelische Schaden. Darauf wies Richter Claus Pätzel in der Urteilsbeg­ründung in: Sie seien ängstlich und litten, wie Zeugen erzählten, unter Schlaflosi­gkeit.

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