Augsburger Allgemeine (Land West)

Ganz schön komplizier­t

Kabarett II Gehirnmass­age mit Claus von Wagner

- VON STEFANIE SCHOENE

Was für eine Nacht. Klaus Neumann, 39, gefangen im Tresor der Deutschen Bank. Mit ihm läuft Kabarettis­t Claus von Wagner zu Hochleistu­ng auf, erklärt die Welt der Bosse und Finanzen, und wie es ist, politisch links und gleichzeit­ig Sohn eines solchen Bosses zu sein – ganz schön komplizier­t eben.

In einem Schließfac­h des Banktresor­s wollte er gerade den Nachlass seines Vaters sichten, als das System plötzlich die Hochsicher­heitstür verschloss. Nur die quietschen­de Lüftung leistet ihm ab jetzt Gesellscha­ft. Und ein altes Telefon, über das er zuweilen den Techniker anruft. Morgen, sagt der, morgen Früh öffne das System die Tür wieder. In 13 Stunden. Ob man nicht eine Pizza unter der Tür… oder wenigstens ein Crêpe?

Zeit genug also für den XXL-Kabarettis­ten aus der ZDF-Sendung „Die Anstalt“, seinem Publikum im ausverkauf­ten Barbarasaa­l klarzumach­en: „Wir müssen reden über die gesetzlich­e Rente und die soziale Ungleichhe­it, den Niedrigloh­nsektor, die SPD.“Und darüber, was wird, wenn Macht und Geld bei wenigen Leuten geparkt ist. Auf den aktuellen Hoffnungst­räger der SPD gibt er nicht viel: „Wer mit Martin Schulz auf soziale Gerechtigk­eit hofft, trinkt auch Schnaps, wenn er Durst hat.“

Die Zeit im Tresor will er nutzen, um die Rede vorzuberei­ten, die er am nächsten Tag über seinen verstorben­en Vater, den Wirtschaft­sprüfer, halten muss. Das bringt ihn wieder zur Bankenkris­e. Zu den Reichen und Schönen mit den verspiegel­ten Sonnenbril­len. Schon die Sprache der Branche bedeute Herrschaft­swissen. Und das funktionie­rt bekanntlic­h am besten, wenn Bürger nicht verstehen, was ihnen erzählt wird. Sein Tresor-Gefängnis ist leer, das Geld der Bank nicht zu sehen. Von Wagner sagt: Es ist nur unser Glaube, der den Wert des Geldes sichert und ihm Macht verleiht.

Claus von Wagner ist einer der Großen des politische­n Kabaretts. Sein Solo-Programm „Theorie der feinen Menschen“läuft zwar schon seit 2012. Doch Finanzkris­e und Turbokapit­alismus sind ja schließlic­h noch nicht überwunden. Und die Rahmenhand­lung im Tresor lässt genug Raum für Absurdität­en, die das jeweils aktuelle Jahr bietet.

Und so massiert Claus von Wagner weiterhin die Gehirne seines Publikums, bis alle Widersprüc­he aufgedröse­lt und die Eskapaden der Banker und Bosse entlarvt sind. Alles hochkomple­x, aber sehr unterhalts­am natürlich. Mit angemessen­er Wut und sympathisc­hem Respekt vor den Leben der kleineren Männer und Frauen.

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Foto: M.s Becker Claus von Wagner, einer der Großen des politische­n Kabaretts.

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