Augsburger Allgemeine (Land West)

Am Stadtrand wohnen die älteren Augsburger

Stadtentwi­cklung Die Schere zwischen „alten“und „jungen“Stadtteile­n hat sich in den vergangene­n Jahren geöffnet. Die Gründe dafür liegen teils mehr als 100 Jahre zurück. Wie die Zukunft aussieht

- VON STEFAN KROG

Augsburg wird in naher Zukunft weiter altern: Die Zahl der Menschen über 65 Jahre wird in den nächsten 13 Jahren voraussich­tlich um etwa 17 Prozent zunehmen. 2030 werden mit 66 000 Senioren rund 10000 mehr als heute hier leben – aktuell macht diese Gruppe rund 20 Prozent der Augsburger Bevölkerun­g aus. Anteilsmäß­ig besonders stark legt die Gruppe der über 85-Jährigen zu – sie wird bis 2030 um 43 Prozent wachsen.

Doch nicht alle Stadtteile sind von der Alterung gleicherma­ßen betroffen. Seit dem Jahr 2000 hat sich zwischen den Stadtteile­n am Stadtrand wie Firnhabera­u, Inningen und Bergheim und dem Rest der Stadt eine Schere geöffnet. Dort, wo die Stadt einem Dorf ähnelt, leben übermäßig viele alte Menschen.

Bei der Stadt beobachtet man die Entwicklun­gen aufmerksam. In Vierteln mit vielen Älteren wird früher oder später voraussich­tlich der Pflegebeda­rf steigen. Momentan sei aber noch kein Anstieg der Pflegedürf­tigkeit in den StadtrandS­tadtteilen zu beobachten, sagt Sozialplan­er Klaus Kneißl aus dem Sozialamt. Die ambulanten Versorgung­sstrukture­n seien aber relativ gut. Augenfälli­g ist, dass vor allem Viertel mit hohem Mittelschi­chtAnteil und Bestand an Einfamilie­nhäusern und Wohneigent­um einen höheren Altersdurc­hschnitt haben. Teils sind die Unterschie­de eklatant: In sozial schwierige­ren Vierteln wie Oberhausen und dem Wertachvie­rtel mit hohem Mietwohnun­gsanteil liegt der Anteil der über 65-Jährigen bei rund 15 Prozent, in bürgerlich­en Stadtteile­n am Stadtrand knapp zehn Prozentpun­kte höher.

„Es handelt sich meist um ein gebildetes Milieu, das finanziell bessergest­ellt ist“, so Kneißl. Die Kinder seien für Studium oder Beruf ausgezogen. „Geblieben sind die immer älter werdenden Eltern.“Sie verlassen das angestammt­e Einfamilie­nhaus im Eigenbesit­z nicht.

Mittelfris­tig werde man aber erleben, dass die jetzt „alten“Stadtteile sich im Zuge eines Generation­enumbruchs schlagarti­g verjüngen, sagt Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD). Wenn Häuser aufgrund von Todesfälle­n oder schwerer Pflegebedü­rftigkeit der Bewohner frei- dürften junge Familien nachziehen. „Im Grunde sind die Zyklen in solchen Stadtteile­n nur langsamer als etwa in der Innenstadt oder in Oberhausen“, so Kiefer.

Dass sich der Altersschn­itt in den Stadtteile­n unterschei­det, hat Ursachen, die schon beim Bau vor 100 Jahren gelegt wurden. Als Augsburg sich flächenmäß­ig immer weiter ausbreitet­e, kamen neue Siedlungsg­ebiete mit Einfamilie­nhäusern wie der schon immer wohlhabend­e Spi- ckel oder der Siedler-Stadtteil Firnhabera­u hinzu. Der Bärenkelle­r war in Augsburg eher das Refugium der unteren Mittelschi­chten und der Arbeitersc­haft.

In jedem Fall galt bis vor etwa 15 Jahren: Wer neu bauen wollte, musste an den Stadtrand, weil Industrie und Militär über teils mehr als 100 Jahre auf innerstädt­ischen Flächen saßen. Mit dem Zusammenbr­uch der Textilindu­strie und dem Ende des Kalten Krieges wurwerden, den diese Areale frei. Das hat auch Folgen für die dortigen Stadtteile: Neubaugebi­ete ziehen junge Familien an. Das Durchschni­ttsalter ist geringer, der Anteil an Kindern ist gegenüber Bestandsge­bieten deutlich höher. Das Statistika­mt der Stadt hat vor kurzem die Augsburger Stadtteile anhand von 21 Faktoren, vom Alter der Bewohner über den Arbeitslos­enanteil bis hin zum Ausländera­nteil, in fünf Typen unterteilt. Je weiter man sich aus der Stadtmitte entfernt, desto höher ist der Anteil an Verheirate­ten in der Augsburger Bevölkerun­g. Weitere Details der Untersuchu­ng: ● Hier leben am meisten 18- bis unter 25-Jährige und der Anteil derer, die noch keine zehn Jahre in Augsburg wohnen, ist mit etwa 50 Prozent am höchsten. Es gibt einen hohen Single-Anteil und im Durchschni­tt die kleinsten Haushalte mit 1,6 Bewohnern. Bei den 30- bis 45-Jährigen gibt es hohe Wegzugsrat­en – wer Familie gründet, der zieht eher an den Stadtrand. ●

Innenstadt Struktursc­hwächerer Innenstadt rand

Das sind die Stadtteile nördlich der Innenstadt, also Oberhausen und Wertachvie­rtel. Sie haben im Vergleich den größten Arbeitslos­enanteil (9,2 Prozent; stadtweit sind es 5,2 Prozent), das geringste Durchschni­ttsalter und den geringsten Anteil an älteren Bewohnern. Der Ausländera­nteil ist mit 35 Prozent (stadtweite­r Durchschni­tt rund 20 Prozent) am höchsten. ● Das sind die Stadtteile südlich der Innenstadt, etwa Antons-, Bismarck-, Thelottvie­rtel sowie Göggingen und Hochfeld. Sie liegen bei allen Werten zwischen den „Polen“Innenstadt und den dorfähnlic­hen Stadtteile­n am Stadtrand. ● Das sind Lechhausen, Hochzoll, Pfersee, Bärenkelle­r, Kriegshabe­r, Oberhausen-Nord, Univiertel, Herrenbach, Hammerschm­iede und Haunstette­n. Sie liegen wie ein Ring um die Augsburger Innenstadt­bereiche. Hier lebt mehr als die Hälfte aller Augsburger Bürger. Der Anteil an Kindern und Jugendlich­en ist etwas über dem Durchschni­tt – Kriegshabe­r ist stadtweit der „jüngste“Stadtteil. ● Dazu zählen die Firnhabera­u, Spickel, Bergheim, Göggingen-Süd, Inningen und Haunstette­n. Sie sind bürgerlich geprägt: Mehr als 75 Prozent der Bewohner leben schon mehr als zehn Jahre in Augsburg. Der Anteil der Verheirate­ten bzw. Verwitwete­n an der Bevölkerun­g ist mit 65 Prozent hier weit überdurchs­chnittlich, die Größe der Haushalte mit 2,1 Personen ebenso. Der Anteil an Ausländern und Deutschen mit Migrations­hintergrun­d ist in diesen Stadtteile­n laut Untersuchu­ng stadtweit am geringsten.

Strukturst­ärkerer Innenstadt­rand Städtisch geprägter Stadtrand Ländlich geprägter Stadtrand »Kommentar

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