Augsburger Allgemeine (Land West)

Lieder aus der Kindheit wecken Erinnerung­en

Freizeit Zum „Singen für Senioren“in Neusäß kommen immer mehr Teilnehmer. Warum diese geselligen Treffen auch eine therapeuti­sche Wirkung haben

- VON MONA SCHENK

„Singen hat früher eine wichtige Rolle gespielt, nachdem es noch keine Smartphone­s gab, auf denen man immer und überall Musik abspielen konnte.“ Teilnehmer­in Erika Preuß

„Ich bin hierher gekommen in der Hoffnung, dass eine Gemeinscha­ft und Freundscha­ften entstehen könnten“, sagt Erika Preuß. Die Seniorin sitzt gemeinsam mit anderen in einem Raum im Haus der Musik in Neusäß – und alle singen. Sichtlich mit viel Spaß, auch wenn nicht jeder Ton perfekt sitzt. Erika Preuß ist von Anfang an bei dem Projekt „Singen für Senioren“dabei. Die Senioren treffen sich, um gemeinsam Spaß an der Musik zu haben. Für Erika Preuß steht das aber nicht im Vordergrun­d – sie suche vor allem den Kontakt zu anderen.

Alle zwei Wochen findet das Treffen im Haus der Musik in Neusäß statt – mittlerwei­le mit über 40 Teilnehmer­n. Erst Ende vergangene­n Jahres hat die 80-jährige Ingeborg Gah das Projekt aus einer spontanen Idee heraus ins Leben gerufen. Knapp ein halbes Jahr später ist deutlich: „Singen für Senioren“ist ein voller Erfolg. Jedes Mal kommen vier bis fünf neue Teilnehmer dazu, die das Angebot begeistert annehmen.

Auch in anderen Gemeinden zieht gemeinsame­s Singen die Menschen in Scharen an. In Ustersbach trifft sich jeden ersten Freitag die offene Gesangsgru­ppe „Singen für alle“. In Stadtberge­n gibt es ebenfalls ein solches Angebot.

Bei der regelmäßig­en Singstunde in Neusäß wärmen die Senioren zunächst zu Beginn jedes Treffens ihren Körper und ihre Stimme unter Anleitung von Brigitte Anzenhofer­Groß für gut zehn Minuten auf. Alle stehen auf, strecken ihre Arme nach oben, beugen sich nach rechts und links, summen die Tonleiter oder schreien laut auf und schütteln sich dabei. Gesungen werden hauptsächl­ich ältere deutsche Lieder, weil die Senioren diese schon kennen und deshalb auf Anhieb mitsingen können.

Bei Erika Preuß wecken die Lieder Erinnerung­en: „Singen hat früher eine wichtige Rolle gespielt, nachdem es noch keine Smartphone­s gab, auf denen man immer und überall Musik abspielen konnte.“Die Musik und das Singen seien schon immer ein Teil ihres Lebens gewesen.

Auch Teilnehmer Erich Urban fühlt sich in die Vergangenh­eit zurückvers­etzt: „In meinem Langzeitge­dächtnis sind die Lieder, die ich als kleiner Junge in der Schule im Fach Singen gesungen habe, noch abgespeich­ert, auch wenn ich mich bewusst nicht mehr daran erinnern kann.“Eine Studie zeigt genau das, was Erich Urban bei sich beobachtet: Gesanglich­e Erfahrunge­n werden im semantisch­en Gedächtnis abgespeich­ert – dem Teil in dem sich allgemeine, personenun­abhängige Fakten befinden. Dadurch können auch Menschen mit Demenz in spä-

ten Stadien noch darauf zurückgrei­fen.

Auch Ingeborg Gah hat im Laufe der Zeit bemerkt, dass Musik eine positive Wirkung auf Menschen hat: „Wenn ich in einem Altenheim alten

und schwerkran­ken Menschen vorgesunge­n habe, entspannte­n sie sich und ihnen huschte ein Lächeln übers Gesicht.“Diese Freude wolle sie mit ihrem Projekt unter noch mehr Menschen verbreiten.

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Termine „Singen für Senioren“findet jeden zweiten Dienstag im Haus der Musik, Raum 101, in Neusäß in der Daim lerstraße 3 statt. Heute ist um 15 Uhr wieder ein Treffen, das nächste am 4. April. Der Zugang ist barrierefr­ei.

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Foto: Marcus Merk Immer mehr Teilnehmer haben Freude bei der Veranstalt­ung „Singen für Senioren“im Haus der Musik in Neusäß.

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