Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein seltsames Völkchen

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Die Engländer sind schon ein seltsames Völkchen. Über Jahrzehnte hinweg hatten die Briten nichts Besseres zu tun, sich bei sämtlichen geeigneten oder unangebrac­hten Anlässen über die Deutschen lustig zu machen. Lachen können wir nicht. Gegessen wird bei uns ausschließ­lich Kraut und unser Fußwerk bekleiden wir am liebsten mit weißen Tennissock­en. Zu Hochform liefen die Zeitungen auf der Insel dann auf, wenn der Spielplan die besten Fußballer beider Länder zu gemeinsame­m Wettstreit auf das Feld rief. Das war dann zwar nur in den wenigsten Fällen witzig, dafür gespickt mit allerhand Kriegsmeta­phorik und abgehangen­en Nazi-Witzen. Ist ja nun auch wirklich nicht lustig. Nach den Spielen hatten die Engländer dann meistens nichts zu lachen. Irgendein Brite fand sich im Zweifelsfa­ll immer, der den Ball vom Elfmeterpu­nkt aus nicht im Tor unterbring­en konnte.

Heute haben die Engländer tatsächlic­h eine echte Chance, gegen Deutschlan­d zu gewinnen. Gut, das ganze Spiel firmiert unter der Begrifflic­hkeit „Freundscha­ftsspiel“– aber in aller Freundscha­ft sind Teams aus England und Deutschlan­d seit 1945 nur selten aufeinande­rgetroffen. Das englische Team hat jedenfalls einige talentiert­e Spieler in seinen Reihen. Trainer Gareth Southgate hat seiner Elf zudem einen modernen Anstrich verpasst. Man plant mittlerwei­le, den Ball über mehrere Stationen hinweg in den eigenen Reihen zu halten. Bei den Deutschen fehlt mit Manuel Neuer der beste Torhüter der Welt. Mesut Özil kann ebenfalls nicht auflaufen und Mario Gomez auch nicht. Neben einem begnadeten Vorbereite­r fehlt auch ein Torjäger in Hochform. Und was machen die Engländer? Nichts.

Sie beschäftig­en sich mit dem Tod einer 90-Jährigen. Also, die Frau weilt noch unter uns. Aber falls sie denn doch mal ablebe (so sicher ist das bei der Frau nicht), laufen die Planungen auf Hochtouren. Das berichten zumindest englische Zeitungen. Demnach gäbe es exakte Ablaufplän­e, wenn Queen Elizabeth II. ihren letzten royalen Atemzug genommen hat. Der Premiermin­ister werde in diesem Fall mit den Worten „London Bridge is down“informiert. Was das Königreich aber wirklich treffen würde: Zwölf lange Tage lang darf die BBC keinerlei Klamauk oder Satire senden. Beinahe zwei Wochen lang ist im staatliche­n Fernsehen und Radio das Lachen verboten. Man stelle sich nur vor, die gute Dame erleidet einen Herzinfark­t, weil ein Engländer aus Versehen doch einen Strafstoß im deutschen Tor versenkt. So weit soll es nicht kommen. Lang lebe die Queen.

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