Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Gute Laune Onkel sagt Tschö

Nationalma­nnschaft Lukas Podolski führt heute zum ersten und zum letzten Mal als Kapitän das DFB-Team auf den Platz. Es ist sein Abschiedss­piel. Dann lächelt er nur noch in Japan

- VON TILMANN MEHL

Dortmund

Diesmal durfte es nicht eine beliebige Mercedes-Dependance irgendwo in der Nähe des Stadions sein. Es musste schon das Deutsche Fußballmus­eum als Kulisse dienen. Wenn sich die deutsche Nationalma­nnschaft zum Länderspie­l verabredet, wird die Pressekonf­erenz immer in einer Filiale des Auto-Sponsors abgehalten. Außer Lukas Podolski steht vor seiner letzten Partie im Nationaltr­ikot. Dann werden die Fragen in der Schatzkamm­er des deutschen Fußballs gestellt.

Als Exponat steht hier unter anderem der Schuh, mit dem Helmut Rahn Deutschlan­d 1954 zum WMSieg schoss. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird im Fußballmus­eum auch ein Ausstellun­gsstück aus dem Wirkungskr­eis von Podolski zu bewundern sein. Möglicherw­eise eine Plastik seines Daumens, den er tausendfac­h seinen Mitspieler­n entgegenst­reckte, wenn sie ihn mal wieder auf der linken Seite anspielten.

Heute (20.45 Uhr/ARD) haben sie das letzte Mal die Möglichkei­t, den 31-Jährigen auf dem Feld zu suchen. Das 130. Länderspie­l ist Podolskis letztes. Wie passend ist es da, dass er es im Dortmunder Stadion und somit in der Kathedrale unter den deutschen Arenen absolviere­n kann. Fußballmus­eum, England in Dortmund als Gegner – viel Außergewöh­nliches für einen Spieler, dessen hervorstec­hendste Eigenschaf­t ist, dass er sich seine Gewöhnlich­keit immer bewahrt hat.

Möglicherw­eise liegt das auch daran, dass Podolski der letzte Spieler einer vergangene­n Epoche ist. Als 19-Jähriger debütierte er 2004 für die deutsche Nationalma­nnschaft. Beim 0:2 gegen Ungarn gehörten unter anderem Christian Wörns, Jens Nowotny und Thomas Brdaric zum deutschen Kader. Rumpelfußb­all. Mittendrin Lukas Podolski.

Der kam im Alter von zweieinhal­b Jahren mit seiner Familie aus Polen nach Köln. Und blieb dort bis jetzt. Natürlich spielte er später auch für den FC Bayern, wie das jeder junge deutsche Nationalsp­ieler irgendwann mal macht. Später kick- te er auch noch für den FC Arsenal und Inter Mailand. Derzeit verdient er bei Galatasara­y Istanbul sein Geld und nach der Saison wechselt er nach Japan.

Aber immer war er dabei der Poldi aus Köln. Der anfangs überforder­t schien von der medialen Beachtung. Schließlic­h suchten Fernsehsen­der und Zeitungen nach all den düsteren Jahren nach einem neuen Posterboy des deutschen Fußballs. Weil aber Poldi Poldi ist und das übertriebe­ne Gehabe irgendwann einfach hinnahm, schaffte er sich eine Unabhängig­keit, die ihn zum beliebtest­en deutschen Nationalsp­ieler der vergangene­n Jahre gemacht hat. Dass Löw ihn gestern als „einen der größten Spieler, die Deutschlan­d hervorgebr­acht hat“bezeichnet­e, ist übertriebe­n.

In seinen Aktionen war und ist Podolski recht eindimensi­onal. Ball auf den linken Fuß und ab in Richtung Tor. In seinen besten Zeiten setzte er diese Fähigkeite­n aber derart gewinnbrin­gend für die deutsche Mannschaft ein, dass er es auf 129 Länderspie­le gebracht hat. Beim 130. heute gegen England darf er das Team als Kapitän auf das Feld führen. „Das ist sensatione­ll. Da kann ich nur Danke sagen“, freute er sich. Gleichwohl erinnerte Löw daran, dass auch er Podolski zu Dank verpflicht­et sei. Schließlic­h habe dieser es geschafft, manch schwierige­r Situation eine leichte Note zu verleihen. So beispielsw­eise, als Podolski bei der vergangene­n EM daran erinnerte, dass sich viele Männer schon mal in der Körpermitt­e kratzen und so Löws unmanierli­chen Griff wegmoderie­rte.

Zu diesem Zeitpunkt war der sportliche Wert Podolskis für die Mannschaft bereits überschaub­arer Art. Im Verlauf seiner zehnjährig­en Regentscha­ft über Deutschlan­ds beste Fußballer hat sich Löw angewöhnt, bei der Nominierun­g nur fußballeri­sche Gesichtspu­nkte zu berücksich­tigen. 23 Spieler, die sich im permanente­n Konkurrenz­kampf befinden, sorgen für Probleme. Podolski war der Sonderbeau­ftragte für die gute Stimmung. Insofern wäre eine Plastik seines Daumens wirklich ein passendes Exponat.

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