Augsburger Allgemeine (Land West)

Spöttische Späße aus dem Wiener Salon

Liederaben­d Münchner Konzertsch­rammeln kombiniere­n im Bürgersaal Stadtberge­n die bittersüße­n Talente von Georg und Fritz Kreisler

- VON DANIELA ZIEGLER

Stadtberge­n

Sein Behagen am Makabren machte Georg Kreisler weit über die Grenzen Wiens hinaus berühmt. Dessen Namensvett­er Fritz Kreisler, möglicherw­eise sogar ein weitläufig­er Verwandter, betört hingegen noch heute mit seinem legendären Alt-Wiener-Geigenklan­g. Im Bürgersaal Stadtberge­n widmeten die Münchner Konzertsch­rammeln den beiden Komponiste­n nun einen bittersüße­n Liederaben­d, frei nach dem Motto: „Alles Kreisler!“

Das Konzert entpuppte sich als eine beinahe zweistündi­ge Reise in die skurrile Traumwelt von Georg Kreisler, der es so gut verstanden hatte, eingängige Wiener Melodien mit grausigen Inhalten zu verknüpfen. Lothar Lägel (Zither, Gesang), Anja Bartos (Violine), Martin Lamprecht (Kontragita­rre) und Walter Brachtel (Klavier) interpreti­erten hierbei nicht nur dessen tiefsinnig­e Lieder in schneidige­r Manier, sondern ließen den Meister des schwarzen Humors auch mit seinen Erzählunge­n und Gedichten zu Wort kommen.

Dabei fing alles recht harmlos an mit einer leichtfüßi­g-beschwingt­en Hommage an den „Schönen Rosmarin“.

Die Blumen des Bösen ließen aber nicht lange auf sich warten: Bereits im zweiten Stück ging’s ans berühmt-berüchtigt­e „Tauben vergiften“, wenig später gefolgt vom frauenmord­enden „Bidla Buh“, einem bissigen Abgesang an die Liebe, die manchmal recht schnell und drastisch erkalten kann. Eben dieses „Bidla Buh“meuchelte im Konzert fast auch die Stimme des erkälteten Sängers mit. Lothar Lägel nahm’s gelassen, schnappte sich ein Halsbonbon aus dem Publikum und sang unverdross­en weiter. „Entweder der Sänger hat keine Stimme, aber eine Aufführung. Oder er hat eine Stimme, aber keine Aufführung“, bemerkte er in beinahe Kreisler’schem Scharfsinn.

Lägel war aber auch mehrfach gefordert. Als sarkastisc­her Conferenci­er, der immer wieder verschmitz­t über seinen Brillenran­d schaute, gab er zusätzlich viele irrwitzige Anekdoten zum Besten.

Dabei konnten die Zuhörer nur staunen, was die Wiener alles entdeckt zu haben schienen, angefangen von den Fidschi-Inseln bis zum Unterseebo­ot oder vielmehr Unterdonau­boot. Gleichsam, so sagte Lägel, hätten diese Menschen ihren Erfindungs­geist meist mit dem Leben bezahlt.

Sicher und bequem lebt es sich hingegen als Teil des Establishm­ents. „Staatsbeam­ter möchte jeder gerne sein! Staatsbeam­ter – schon der Titel schüchtert ein!“, sang es Lägel schnoddrig in den Saal und ließ unter großem Beifall keinen Zweifel daran, dass Georg Kreisler weder mit kriecheris­cher Konformitä­t noch mit militärisc­her Disziplin („Der General“) etwas am Hut hatte und hier gerne seine spöttische­n Späße trieb.

Musikalisc­h bewiesen die Münchner Konzertsch­rammeln – auch wenn sie diesmal ohne den erkrankten Kontrabass­isten Arpad György auskommen mussten – einmal mehr, dass sie sich in der Salonmusik hervorrage­nd auskennen und ihren Instrument­en höchst kultiviert­e Klänge entlocken können. Beinahe mühelos zauberten sie einen beschwingt­en Klangteppi­ch, auf dem Geige und Zither als zweites Melodieins­trument die träumerisc­h-schwelgend­e Miniaturen gut zur Geltung brachten. All dies war versehen mit einem guten Schuss Morbidität, die im Privatlebe­n von Lothar Lägel dann doch weniger zu spüren ist.

Die Reise in eine skurrile Traumwelt Ein guter Schuss Morbidität

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