Augsburger Allgemeine (Land West)
Spöttische Späße aus dem Wiener Salon
Liederabend Münchner Konzertschrammeln kombinieren im Bürgersaal Stadtbergen die bittersüßen Talente von Georg und Fritz Kreisler
Stadtbergen
Sein Behagen am Makabren machte Georg Kreisler weit über die Grenzen Wiens hinaus berühmt. Dessen Namensvetter Fritz Kreisler, möglicherweise sogar ein weitläufiger Verwandter, betört hingegen noch heute mit seinem legendären Alt-Wiener-Geigenklang. Im Bürgersaal Stadtbergen widmeten die Münchner Konzertschrammeln den beiden Komponisten nun einen bittersüßen Liederabend, frei nach dem Motto: „Alles Kreisler!“
Das Konzert entpuppte sich als eine beinahe zweistündige Reise in die skurrile Traumwelt von Georg Kreisler, der es so gut verstanden hatte, eingängige Wiener Melodien mit grausigen Inhalten zu verknüpfen. Lothar Lägel (Zither, Gesang), Anja Bartos (Violine), Martin Lamprecht (Kontragitarre) und Walter Brachtel (Klavier) interpretierten hierbei nicht nur dessen tiefsinnige Lieder in schneidiger Manier, sondern ließen den Meister des schwarzen Humors auch mit seinen Erzählungen und Gedichten zu Wort kommen.
Dabei fing alles recht harmlos an mit einer leichtfüßig-beschwingten Hommage an den „Schönen Rosmarin“.
Die Blumen des Bösen ließen aber nicht lange auf sich warten: Bereits im zweiten Stück ging’s ans berühmt-berüchtigte „Tauben vergiften“, wenig später gefolgt vom frauenmordenden „Bidla Buh“, einem bissigen Abgesang an die Liebe, die manchmal recht schnell und drastisch erkalten kann. Eben dieses „Bidla Buh“meuchelte im Konzert fast auch die Stimme des erkälteten Sängers mit. Lothar Lägel nahm’s gelassen, schnappte sich ein Halsbonbon aus dem Publikum und sang unverdrossen weiter. „Entweder der Sänger hat keine Stimme, aber eine Aufführung. Oder er hat eine Stimme, aber keine Aufführung“, bemerkte er in beinahe Kreisler’schem Scharfsinn.
Lägel war aber auch mehrfach gefordert. Als sarkastischer Conferencier, der immer wieder verschmitzt über seinen Brillenrand schaute, gab er zusätzlich viele irrwitzige Anekdoten zum Besten.
Dabei konnten die Zuhörer nur staunen, was die Wiener alles entdeckt zu haben schienen, angefangen von den Fidschi-Inseln bis zum Unterseeboot oder vielmehr Unterdonauboot. Gleichsam, so sagte Lägel, hätten diese Menschen ihren Erfindungsgeist meist mit dem Leben bezahlt.
Sicher und bequem lebt es sich hingegen als Teil des Establishments. „Staatsbeamter möchte jeder gerne sein! Staatsbeamter – schon der Titel schüchtert ein!“, sang es Lägel schnoddrig in den Saal und ließ unter großem Beifall keinen Zweifel daran, dass Georg Kreisler weder mit kriecherischer Konformität noch mit militärischer Disziplin („Der General“) etwas am Hut hatte und hier gerne seine spöttischen Späße trieb.
Musikalisch bewiesen die Münchner Konzertschrammeln – auch wenn sie diesmal ohne den erkrankten Kontrabassisten Arpad György auskommen mussten – einmal mehr, dass sie sich in der Salonmusik hervorragend auskennen und ihren Instrumenten höchst kultivierte Klänge entlocken können. Beinahe mühelos zauberten sie einen beschwingten Klangteppich, auf dem Geige und Zither als zweites Melodieinstrument die träumerisch-schwelgende Miniaturen gut zur Geltung brachten. All dies war versehen mit einem guten Schuss Morbidität, die im Privatleben von Lothar Lägel dann doch weniger zu spüren ist.
Die Reise in eine skurrile Traumwelt Ein guter Schuss Morbidität