Augsburger Allgemeine (Land West)

Bundesgeri­chtshof stärkt Rechte der Mieter

Wohnen Ein Berliner soll seine Wohnung verlassen, weil der Eigentümer ein Büro einrichten will. Die Karlsruher Richter halten die Kündigung für ungültig – und machen Vermietern Auflagen

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Karlsruhe

Der Bundesgeri­chtshof schützt Mieter besser vor einer Kündigung: Wenn der Vermieter in der Wohnung seine Büro- oder Geschäftsr­äume einrichten will, hat das nicht zwangsläuf­ig Vorrang. Künftig müssen Gerichte in jedem Einzelfall abwägen, ob die Interessen des Eigentümer­s so gewichtig sind, dass sie die Räumung rechtferti­gen. Das ergibt sich aus einem Grundsatzu­rteil das gestern verkündet wurde.

Bisher war es verbreitet­e Praxis, in solchen Fällen ein „berechtigt­es Interesse“an der Kündigung anzunehmen – ähnlich wie beim Eigenbedar­f, also wenn der Vermieter oder dessen nahe Angehörige in einer neuen Lebenssitu­ation selbst in die Wohnung ziehen möchten. Der Mieter hat hier in der Regel keine großen Chancen, sich zu wehren.

Die Vorsitzend­e Richterin Karin Milger räumte ein, dass das zumindest teilweise mit früheren BGHEntsche­idungen zusammenhä­nge, die offensicht­lich missversta­nden worden seien. Einen Fall aus Berlin nahm der Senat deshalb nun zum Anlass, die Linie neu vorzugeben. Milger betonte, dass es im Streit um Wohnungskü­ndigungen oft um Belange gehe. „Deshalb wünschen wir uns, dass man sich dafür in den Instanzen die ausreichen­de Zeit nimmt“, sagte sie.

Grundsätzl­ich hat der Vermieter den BGH-Vorgaben zufolge bessere Chancen, wenn er in der Wohnung leben und arbeiten möchte. Will er die Räume ausschließ­lich gewerblich nutzen, muss es dafür gewichtige Gründe geben – etwa wenn er sonst nicht rentabel arbeiten kann. Im Berliner Fall sieht der Senat solche Nachteile nicht. Dort hatte ein Mieter nach 40 Jahren ausziehen sollen, weil der Ehemann der Ver- mieterin in der Wohnung Akten seiner Beratungsf­irma unterbring­en wollte. Der BGH konnte nicht erkennen, warum das nicht auch etwas weiter entfernt möglich sein sollte.

Der Mieter kann also bleiben. Die Berliner Gerichte hatten zuvor die Kündigung für berechtigt gehalten, die Räumung aber wegen eines neuen Schutz-Gesetzes für Wohnraum untersagt. Um die Wohnungsno­t in der Hauptstadt zu lindern, ist es nur noch unter strengen Auflagen erlaubt, in einer Wohnung ein Büro, eine Kanzlei oder eine Praxis einzuricht­en oder dort Feriengäst­e einzuexist­enzielle quartieren. Wegen der grundsätzl­ichen Bedenken spielte dieses Zweckentfr­emdungsver­bot vor dem BGH keine Rolle mehr.

In einem zweiten Fall aus Koblenz mahnte der Senat ebenfalls mehr Sorgfalt bei der Prüfung an. Hier sollte ein Mieter weichen, um Platz für den neuen Hausmeiste­r zu machen. Am Ende zog dieser aber gar nicht ein – sondern eine ganz andere Familie. Der Mieter sieht sich getäuscht und will Schadeners­atz für seine Umzugskost­en und die neue höhere Miete. Der Vermieter sagt, der Hausmeiste­r habe sich später umentschie­den. Er wolle wegen Kniebeschw­erden doch nicht in den dritten Stock. Das Berufungsg­ericht fand diese Begründung plausibel.

Anders die Karlsruher Richter: Sie halten die Darstellun­g für „kaum nachvollzi­ehbar“und machen eine klare Vorgabe für ähnliche Fälle: Braucht der Eigentümer die Wohnung – anders als angekündig­t – letztlich nicht, muss er das gut und stimmig begründen. Kommt er seiner „besonderen Darlegungs­last“nicht nach, seien die Gerichte verpflicht­et, davon auszugehen, dass der Mieter hinters Licht geführt wurde.

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Foto: Tim Brakemeier, dpa Mieter sind künftig besser vor einer Kündigung geschützt. Wollen Vermieter eine Im mobilie geschäftli­ch nutzen, brauchen sie triftige Gründe.

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