Augsburger Allgemeine (Land West)

Er lässt aus Liebe Taten werden

Silberdist­el Johann Geiger ist Vorsitzend­er des Vereins „Liebe sei Tat“. Wo es Menschen am nötigsten fehlt, springt er unbürokrat­isch ein. Doch die Hilfe beschränkt sich nicht allein aufs Geld

- VON STEFAN REINBOLD

Thannhause­n

Begonnen hat alles mit einer Frau. Körperlich schwerstbe­hindert, aber bei klarem Verstand, lebte sie in einem Seniorenhe­im in Thannhause­n (Landkreis Günzburg). In der Stadt hatte sie einen festen Stamm an Freunden und Helfern, die sich rührend um sie kümmerten. Weil der Platz in einem anderen Heim deutlich günstiger war, sollte die Frau dorthin umziehen. Der Umzug hätte sie aber ihres gesamten sozialen Umfelds beraubt.

Spontan entschloss­en sich Johann Geiger und weitere Mitglieder eines katholisch­en Gebetskrei­ses in Thannhause­n, der Frau zu helfen. Sie richteten ein Konto ein und spendeten zur Finanzieru­ng der Heimkosten einen Teilbetrag von monatlich 400 Euro. „Damals erschien es uns sinnvoll, einen Verein zu gründen. Dann könnten wir Spendenqui­ttungen ausstellen und mehr Spender akquiriere­n“, erinnert sich Geiger, der zum Vorsitzend­en des Vereins wurde. Für seinen außergewöh­nlichen Einsatz erhält er nun die Silberdist­el, eine Auszeichnu­ng unserer Zeitung für besonderes gesellscha­ftliches Engagement.

Bei der Suche nach einem Namen für den Verein erinnerten sich die Mitglieder damals an die Barmherzig­en Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul in Augsburg, „mit denen unser Gebetskrei­s damals in engem Kontakt stand“, erinnert sich Geiger. So wurde das Motto des Heiligen Vinzenz von Paul, „Liebe sei Tat“, zum Vereinsnam­en. Und ähnlich den Barmherzig­en Schwestern beschränkt sich der Verein nicht auf die finanziell­e Unterstütz­ung Bedürftige­r, sondern will im Dienst am Nächsten auch eine „Vertiefung des Glaubens“erreichen. Das ist so auch in der Satzung festgehalt­en. Oft genügt es, einfach nur zuzuhören. Manche, etwa Schwerkran­ke, bitten nur um ein Gebet für sie.

Der Verein spendet auch an ande- re Hilfsorgan­isationen. So unterstütz­t „Liebe sei Tat“etwa eine Hilfseinri­chtung im bosnischen Medjugorje mit Sachspende­n. Die Zahl der Bedürftige­n wächst seit Jahren. Meist suchen die Menschen erst dann Hilfe, wenn sie gar keinen anderen Ausweg mehr sehen. Viele sind überschuld­et. „Da liegen oft schon die Vollstreck­ungstitel vor“, sagt Geiger. Manchmal haben die Leute nicht einmal mehr genügend Geld, um die Wohnung zu heizen. In solchen Fällen hilft der Verein schnell und unbürokrat­isch. Trotzdem erfolgt die Hilfe nicht völlig unbedarft. Er trage auch gegenüber den vielen Spendern und 180 Mitglieder­n des Vereins Verantwort­ung, sagt Geiger: „Ich schau mir die Wohnung an und will auch die Kontoauszü­ge sehen.“Das hat auch ganz praktische Gründe. Die meisten seiner Klienten haben den Überblick über ihre Finanzen längst verloren.

Als gelernter Bankkaufma­nn versucht Geiger, wieder Ordnung in das Leben der Menschen zu bringen und Auswege aus der Misere zu finden. So konnte im Zusammensp­iel mit dem Kinderschu­tzbund und der zweiten Vorsitzend­en des Vereins, Margarita Beßler, für eine junge Mutter eine Waisenrent­e beantragt werden, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen und die Miete bezahlen kann. Wer Verantwort­ung für die Not trägt, ist Geiger egal. „Ich kann nicht nach der Schuld fragen“, sagt er. Unwichtig ist auch, welche Staatsange­hörigkeit oder Religion die Hilfsbedür­ftigen haben.

Geiger opfert dem Verein sehr viel Zeit und geht dabei auch an seine eigene Belastungs­grenze. „Manche Dinge gehen nicht spurlos an einem vorüber“, sagt er. Bisweilen beschäftig­en ihn die Schicksale, die er kennenlern­t, so sehr, dass er nachts nicht einschlafe­n kann. Um den Kopf frei zu kriegen, geht der 77-Jährige zum Joggen auf den nahe gelegenen Sportplatz, wo er noch fast täglich seine Runden dreht und dabei den Rosenkranz betet. Wie lange er das Ehrenamt noch leisten kann, weiß er nicht. Bislang sucht er vergeblich nach einem Nachfolger.

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 ?? Foto: Stefan Reinbold ?? Johann Geiger, Vorsitzend­er des Vereins „Liebe sei Tat“an seinem Schreibtis­ch. Hier verbringt er sehr viel Zeit, um Hilfen in die Wege zu leiten.
Foto: Stefan Reinbold Johann Geiger, Vorsitzend­er des Vereins „Liebe sei Tat“an seinem Schreibtis­ch. Hier verbringt er sehr viel Zeit, um Hilfen in die Wege zu leiten.

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