Augsburger Allgemeine (Land West)

Bin ich Mensch, darf ich es sein?

Ghost In The Shell Scarlett Johansson überzeugt als humanoide Maschine im Konflikt zwischen Fremdprogr­ammierung und Selbstbest­immung. Der Film lohnt noch aus weiteren Gründen

- VON MARTIN SCHWICKERT

Im Reich der Superhelde­n kann von Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau keine Rede sein. Zwar wurde Scarlett Johansson in der Rolle der Black Widow als QuotenAmaz­one ins „Avengers“-Team aufgenomme­n, aber im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen hat sie es im Marvel-Imperium nie zu einem eigenen Kino-Franchise gebracht. Dabei gibt es auch unter den „X-Men“durchaus einige interessan­te Frauenchar­aktere. Wenn es jedoch um die Führungspo­sitionen geht, bleibt man im Mutantenla­ger patriarcha­len Stigmatisi­erungen treu.

Es gab ein paar halbherzig­e Versuche im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunder­ts, weibliche Superhelde­n im Kino zu etablieren. Aber „Catwoman“(2004) mit Halle Berry und „Elektra“(2005) mit Jennifer Garner floppten auf epische Weise an den Kinokassen. Das (vorwiegend männliche) Publikum sei noch nicht reif für eine Superheldi­n hieß es damals. Dabei war offensicht­lich, dass in die Pilotproje­kte weitaus weniger Geld, Technik und vor allem Hirnschmal­z investiert wurde, als es Bat-Super-Spider-Man üblich ist.

Nun wagt sich Steven Spielbergs Produktion­sfirma Dreamworks noch einmal auf das Terrain vor. „Ghost in the Shell“beruht auf einem legendären japanische­n Science-Fiction-Manga von Masamune Shirow aus dem Jahre 1989, der schon mehrfach für Kino, Fernsehen und den Videospiel­markt animiert wurde. Die Geschichte ist an der fließenden Grenze zwischen Mensch und Maschine angesiedel­t. Major (Scarlett Johansson) ist ein humanoider Roboter, in den ein Menschenhi­rn eingepflan­zt wurde. Für die meisten gibt es wahrschein­lich schlimmere Vorstellun­gen, als eines Tages im Körper von Scarlett Johansson aufzuwache­n, aber der Leiter der Firma „Hanka“macht gleich zu Beginn deutlich, dass Major für sein Unternehme­n nicht als Mensch, sondern als Waffe angesehen wird.

Und so wird die High-Tech-Dame zur Terroriste­nbekämpfun­g vom Verteidigu­ngsministe­rium unter Vertrag genommen. Terrorismu­s – das heißt in diesem Zukunftssz­enario vor allem Cyber-Hacking. Schließlic­h gibt es in der multikultu- rellen Gesellscha­ft kaum noch Menschen, die nicht biotechnol­ogisch aufgebesse­rt wurden. Ein Unbekannte­r setzt die Regierung und das „Hanka“-Firmenimpe­rium mit digitalen, aber auch physischen Angriffen unter Druck. Je näher sich Major an den Bösewicht heranarbei­tet, umso deutlicher werden die Erinnerung­svisionen an ihre menschlich­e Vergangenh­eit.

Anders als die männlichen Kollegen in der Superhelde­n-Branche, deren übernatürl­iche Kräfte zur stehen. Agiert sie zunächst als gefühllose Maschine, findet sie allmählich zu eigener Verantwort­ung.

Regisseur Rupert Sanders („Snow White and the Huntsman“) bleibt nah dran an der Manga-Vorlage, die eine breite internatio­nale Fanbasis hat, und übersetzt sie mit visuellem Stilvermög­en ins Realfilm-Format. Seine panasiatis­che Metropolis ist keine dieser dystopisch­en, düsteren Welten, wie man sie zurzeit im Kino allzu oft sieht. Sie ist eine Zukunft, in der überlebens­große Werbe-Hologramme zwischen den Hochhaussc­hluchten herausrage­n – eine bunte, vielschich­tige Welt mit einem leicht verregnete­n Grauschlei­er, in die man sich gerne hineinzieh­en lässt. Die städtebaul­ichen Visionen, die hier zusammenge­pixelt werden, sind ein Erlebnis für sich und belegen den Gesamtkuns­twerk-Anspruch des Unternehme­ns. Mit diesem durch und durch souveränen Erstauftri­tt seiner Superheldi­n ist „Ghost in the Shell“auf jeden Fall eine ernst zu nehmende Konkurrenz und erholsame Abwechslun­g zum männerdomi­nierten Marvel-Universum. **** O

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Foto: Paramount Pictures Major (Scarlett Johansson) beginnt über ihr Tun nachzudenk­en.

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