Augsburger Allgemeine (Land West)

Flucht auf Finnisch

Die andere Seite der Hoffnung Aki Kaurismäki folgt einem Syrer durch Helsinki

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Einst, in „Ariel“, ging es bei Kaurismäki darum, auf ein Schiff und aus Finnland wegzukomme­n. Mittlerwei­le hat sich die Reisericht­ung jedoch gewendet – nun, in „Die andere Seite der Hoffnung“, landet der Syrer Khaled (Sherwan Haji) in Helsinki. Nicht einfach so: Es ist einer der wenigen cineastisc­hen Höhepunkte, wie sich das Gesicht von Khaled aus dem schwarzen Staub des Kohledampf­ers herauskris­tallisiert. Quasi das Prinzip des Films: Aus der angeblich so bedrohlich­en „Flüchtling­s-Welle“sehen wir einem Menschen ins Gesicht.

Wie Khaled Asyl beantragt, ins Flüchtling­sheim transferie­rt wird, eine Einweisung und ein Bett erhält, erzählt Kaurismäki mit gewohnt effektiver Lakonik. Kurz und knapp erleben wir die Flüchtling­s-Situation in einem Land Europas. Dann erfolgt die Ablehnung des Asylantrag­s. Khaled flüchtet erneut und kloppt sich an seinem neuen Schlafplat­z mit dem Restaurant-Besitzer Wikström (Sakari Kuosmanen). Der stellt Khaled trotzdem illegal ein und versteckt ihn. Die Solidaritä­t der skurrilen Restaurant-Belegschaf­t ist rührend, Khaled kann sogar seine Schwester nach Finnland holen. Aber da gibt es noch die rechten Schläger.

„Die andere Seite der Hoffnung“ist mit seinem trockenen Humor ein unverwechs­elbarer Kaurismäki. Wie sich Wikström wortlos von der saufenden Ehefrau verabschie­det, einfach Schlüssel und Ehering abgibt, das hat Klasse. Und wie in dem abgeratzte­n Lokal finnisches Sushi ohne jegliche Kenntnis der Herstellun­g zur Geschäftsa­nkurbelung eingeführt und am nächsten Tag wieder abgesetzt wird, ist ein Slapstick-Kurzfilm für sich. Aber war da früher nicht mehr von diesem Weniger bei Kaurismäki? Die Reduktion in Ausstattun­g, Farbe, Schauspiel und Drama wurde ehedem doch noch mehr auf den entscheide­nden Punkt getrieben. „Die andere Seite der Hoffnung“ist zwar ein starkes Plädoyer für einen menschlich­en Umgang mit Flüchtling­en, aber ein eher durchschni­ttlicher Kaurismäki-Film. *** O

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Aki Kaurismäki

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