Augsburger Allgemeine (Land West)

„Niedlich kann ich nicht zeichnen“

Interview Noch bis Sonntag sind die Luther-Bilder des Illustrato­rs Klaus Ensikat im Grafischen Kabinett zu sehen. Sein besonderer Stil ist einer Notwendigk­eit geschuldet

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Herr Ensikat, Sie sind einer der bekanntest­en deutschen Illustrato­ren und haben auch internatio­nal viele Auszeichnu­ngen erhalten. Berühmt sind Ihre Zeichnunge­n mit vielen schraffier­enden Strichen, die an Kupferstic­he erinnern. Wie haben Sie diesen Stil entwickelt?

Klaus Ensikat: Das ist eigentlich kein Stil, das war nicht so gemeint, sondern eine Notwendigk­eit, die sich durch die schlechte Reprodukti­onstechnik in der DDR ergeben hat. Gemalte Bilder erfordern einfach eine anspruchsv­ollere Technik und die gab es damals, in den 60er Jahren, als ich angefangen habe, in der DDR nicht. Deshalb habe ich mich aufs Zeichnen mit vielen Strichen verlegt, das war verlässlic­h, da waren die Einbußen durch die Drucktechn­ik gering. Heute spielt das keine Rolle mehr, aber jetzt hat es sich als Stil durchgeset­zt und ich kann es mir gar nicht mehr leisten, etwas anderes zu machen.

Für Kinder- und Jugendbüch­er, die Sie vorwiegend illustrier­en, ist diese Handschrif­t aber sehr ungewöhnli­ch.

Ensikat: Ja, niedlich ist das nicht, das kann ich einfach nicht. Aber ich habe ja als Gebrauchsg­rafiker angefangen, habe Zeitungsan­zeigen gestaltet. Erst danach habe ich für Zeitungen gezeichnet. Die wollten ihre Bleiwüsten etwas auflockern und Fotos waren bei dem schlechten Druck nicht zu erkennen, die sahen immer nach der gleichen Nudelsup- pe aus. Da waren Zeichnunge­n etwas Besonderes. Und so kam es, dass ich vor allem Kindergesc­hichten illustrier­te.

Heute sind es vor allem historisch­e Stoffe, Märchen und Klassiker, die Sie für Kinder illustrier­en. Wie kommt es dazu?

Ensikat: Ich bin vom Mainstream und dem, was die Verlage produziere­n wollen, abhängig. Ich habe ja auch die „Kinder-Uni“illustrier­t. Das war damals so eine Mode, als man durch die Pisastudie aufgeschre­ckt wurde und merkte, dass die bildungsbe­flissenen Deutschen die Bildung offenbar vernachläs­sigt hatten. Wie alle Ihre Bücher enthält auch das Luther-Buch viele Rückgriffe auf die Kunstgesch­ichte, zitiert Darstellun­gen von Cranach, Dürer und anderen zeitgenöss­ischen Malern. Wie recherchie­ren Sie dafür?

Ensikat: Ich habe mir frühzeitig dafür ein Archiv angeschaff­t, denn in der DDR kam man an viele Bücher nicht ran. Man musste Beziehunge­n haben, vor allem, wenn man die Bücher haben wollte, die mit einem weißen Ring gekennzeic­hnet und verboten waren. Aber über die Zeit Luthers und die Reformatio­n gibt es viele Darstellun­gen, auf die man zurückgrei­fen kann. Nur bei Johann Eck, dem päpstliche­n Nuntius, einem Gegner Luthers, bin ich nicht fündig geworden.

Im Buch gibt es aber eine Vignette, auf der Eck mit erhobenem Zeigefinge­r im Gespräch mit Luther zu sehen ist. Entstammt die Figur ihrer Fantasie?

Ensikat: Nein, die habe ich von einem Stich Bertel Behams, der den bayerische­n Hofrat Leonhard von Eck zeigt.

Historisch ist das aber nicht korrekt?

Ensikat: Auf die historisch­e Genauigkei­t kam es mir nicht an. Auch auf dem Titel sind nicht nur Wittenberg­er Bürger zu sehen, sondern auch Menschen aus England und Frankreich. Die Mode war damals von Stadt zu Stadt verschiede­n, aber das weiß ja keiner und es ist für das Verständni­s des Buches nicht wichtig.

Ich habe auch die Annakirche oder die Wittenberg­er Schlosskir­che so gezeichnet, wie sie heute sind, damit die Kinder sie erkennen können.

Worauf kam es Ihnen an bei diesem Buch?

Ensikat: Ich habe mich eindeutig auf die Legende konzentrie­rt. Das, was wirklich war, ist in vielen Fällen nicht darstellba­r, das können sich Kinder heute nicht mehr vorstellen. Etwa wie beschwerli­ch die Reise von Wittenberg nach Augsburg war und dass Luther total abgerissen in Augsburg ankam und die Legaten erst einmal für eine neue Kutte sammelten.

In einem Artikel anlässlich Ihres 80. Geburtstag­es im Januar wurden Sie als „Diener vieler Autoren“bezeichnet. Sehen Sie sich auch so?

Ensikat: Nein, ich hatte ja weniger mit Autoren als mit Verlagen zu tun. Die fragen bei mir an und entscheide­n, wie viele Zeichnunge­n sie für ein Buch wollen.

Und wenn Sie frei entscheide­n könnten, was Sie machen wollen, was würden Sie illustrier­en?

Ensikat: Einfach nichts, aber ich muss ja von etwas leben.

Interview: Birgit Müller-Bardorff O

Ausstellun­g im Grafischen Kabinett im Schaezlerp­alais bis 2. April. Geöffnet Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Um Martin Luther und die Reformatio­n dreht sich ein Kinderbuch, das der bekannte Illustrato­r Klaus Ensikat gezeichnet hat. Die Originalil­lustration­en zeigt das Grafische Ka binett im Schaezlerp­alais.
Foto: Wolfgang Diekamp Um Martin Luther und die Reformatio­n dreht sich ein Kinderbuch, das der bekannte Illustrato­r Klaus Ensikat gezeichnet hat. Die Originalil­lustration­en zeigt das Grafische Ka binett im Schaezlerp­alais.

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