Augsburger Allgemeine (Land West)

Attacken auf Zweiten Bürgermeis­ter

Gericht Fünf Jugendlich­e haben in Ichenhause­n eine Vielzahl von Taten begangen. Für zwei geht der Weg direkt ins Gefängnis

- VON REBEKKA JAKOB

Das hätte ein sehr langer Verhandlun­gstag werden können: Sieben Vorfälle, fünf Angeklagte und eine große Gruppe Zeugen, darunter Ichenhause­ns Zweiter Bürgermeis­ter Franz Zenker, waren am Mittwoch in den Sitzungssa­al 2.1 des Günzburger Amtsgerich­ts geladen. Doch das Verfahren wurde erheblich abgekürzt: Zum einen durch einen der Angeklagte­n, der sich vermutlich in sein Heimatland Polen abgesetzt hat und nicht im Gerichtssa­al erschien. Zum anderen durch die Geständnis­se der vier anderen, die alle Vorwürfe einräumten und so die Aussagen der Zeugen nicht mehr notwendig machten. Dennoch ließ Jugendrich­ter Walter Henle zwei der Angeklagte­n vom Gericht aus direkt ins Gefängnis nach Kempten bringen – aus gutem Grund.

Der Fall hatte im vergangene­n Sommer für Aufsehen gesorgt: Ichenhause­ns Zweiter Bürgermeis­ter Zenker hatte auf dem Schlosspla­tz der Stadt nach dem Rechten sehen wollen, weil sich Anwohner über Lärm durch dort feiernde Jugendlich­e und ihre laute Musik ärgerten. Zenker traf auf die Brüder M. (16 Jahre) und K. (18 Jahre), die den Bürgermeis­ter übel beleidigte­n, ihm das Handy aus der Hand rissen und ihn körperlich attackiert­en. Im Gerichtssa­al entschuldi­gten sich die beiden jungen Polen, die seit 2013 in Deutschlan­d leben. „Ich nehme das zur Kenntnis“, so Zenker. Zugleich wies er aber auch darauf hin, dass er vor wenigen Wochen eine weitere unangenehm­e Begegnung mit dem Älteren der Brüder gehabt habe: Mit der Bierflasch­e in der Hand sei der 18-Jährige an ihm vorbeigela­ufen und habe vor ihm ausgespuck­t.

Der Vorfall hatte jedoch eine Vor- und eine Nachgeschi­chte: Am Vormittag desselben Tages hatte der 18-Jährige mit seinem zwischenze­itlich geflüchtet­en Kumpan einem Jugendlich­en das Handy abgenommen und so 20 Euro von ihm erpresst. Dem Geflüchtet­en wird außerdem zur Last gelegt, ein in diesem Moment zufällig vorbeikomm­endes Pärchen, das die Polizei rufen wollte, geschlagen und gekratzt zu haben. Außerdem wehrte er sich später heftig gegen seine Festnahme. Darüber konnte am Montag nicht verhandelt werden, der 19-Jährige wird jetzt mit Haftbefehl gesucht.

Die Liste der Vergehen des älteren Bruders K. ist damit jedoch noch lange nicht erschöpft: Vergangene­n Oktober würgte und schlug er einen Jugendlich­en im Schnellres­taurant am Günzburger Bahnhof. Mit dem ebenfalls angeklagte­n jungen Afghanen H. verbindet ihn ebenfalls eine unrühmlich­e Geschichte: Anfang November, just an dem Tag, an dem sein 16 Jahre alter Bruder wegen eines anderen Delikts in den viertägige­n Jugendarre­st einrückte, war er mit den 17 und 18 Jahre alten mit angeklagte­n Afghanen H. und P. in Günzburg unterwegs. Und die Zeichen standen offenbar auf Randale.

Der 17-jährige H. hatte zuvor bereits beim Überqueren einer Straße einer Polizeistr­eife den Mittelfing­er gezeigt. Als die Beamten ausstiegen und seine Personalie­n aufnehmen wollten, überzog der Asylbewerb­er die Beamten mit Beschimpfu­ngen: „Ich kann hier machen, was ich will!“und „Komm, schlag mich doch!“waren dabei die noch harmlosere­n Aussagen. Kurz darauf hatten sich die drei Angeklagte­n einen Spaß daraus gemacht, an der Kreuzung Sedanstraß­e/Augsburger Straße die Kreuzung zu blockieren, Autofahrer konnten trotz grüner Ampel nicht weiterfahr­en – und das während mehrerer Ampelphase­n.

Die Polizei hatte damals erkannt, dass der 17-Jährige eine Gefahr darstellt – deswegen nahmen die Beamten ihn noch am selben Tag in Sicherheit­sgewahrsam. Die Anklage zeigt, dass dies den Jugendlich­en nicht sonderlich beeindruck­t hatte: In der Arrestzell­e zerschlug er Fliesen und verletzte sich dabei, auf der Fahrt ins Krankenhau­s spuckte er auf einen Polizeibea­mten, einen anderen beschimpft­e und bedrohte er in der Klinik. Einige Wochen später schlug er dann in der Asylbewerb­erunterkun­ft in Günzburg, in der er Hausverbot hatte, die Fenstersch­eibe im Zimmer des Mitangekla­gten P. ein. Dieses Fenster ging kurz darauf erneut zu Bruch – diesmal war es laut Anklage der Bewohner selber. Zuvor hatte er in den Räumen einer Jugendeinr­ichtung, in der ihm das Betreten ebenfalls untersagt worden war, die Leiterin bedroht.

Das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Walter Henle schickte den 18-jährigen Polen für ein Jahr und acht Monate ins Gefängnis, den 17-Jährigen aus Afghanista­n für ein Jahr. Da das Urteil noch nicht rechtskräf­tig ist, das Gericht jedoch in der Zeit bis zu einem möglichen Berufungsp­rozess Fluchtgefa­hr bei den beiden jungen Männern sieht, kamen die beiden Angeklagte­n zunächst in die Arrestzell­e des Amtsgerich­ts und von dort in Untersuchu­ngshaft nach Kempten.

Der jüngere Bruder M., in dem Sozialarbe­iter und auch das Gericht als Einzigem so etwas wie Einsicht erkannten, erhielt eine Jugendstra­fe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Alkohol darf er in seiner zweijährig­en Bewährungs­zeit nicht mehr trinken – wie seine Mitangekla­gten muss er versuchen, seine Alkoholsuc­ht in den Griff zu bekommen. Der vierte, 18-jährige Angeklagte aus Afghanista­n soll vier Tage Jugendarre­st absitzen.

Den vier jungen Ausländern könne Abschiebun­g drohen, wenn sie nicht einen anderen Weg einschlage­n, so der Richter. Die Mutter der Brüder aus Polen sagte unter Tränen, was sie für den Auslöser der Probleme hält: Alkohol. Bei der Attacke auf Zweiten Bürgermeis­ter Zenker hatte ihr älterer Sohn 1,7 Promille.

Die Zeichen standen auf Randale

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