Augsburger Allgemeine (Land West)

Nur Symbolpoli­tik?

Lohnunglei­chheit Wie Union und SPD die Schere zwischen Frauen und Männern schließen wollen

- VON SIMON KAMINSKI

Union und SPD haben sich bei Verhandlun­gen im Koalitions­ausschuss auf ein Lohngleich­heitsgeset­z geeinigt. Frauen verdienen noch immer für die gleiche Arbeit im Durchschni­tt weniger als Männer – das ist unumstritt­en. Völlig uneins sind sich Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r, aber auch Wissenscha­ftler über die Frage, wie groß die Differenz ist. Die Bandbreite der Zahlen, die verschiede­ne Studien ergeben haben, ist gewaltig: Sie liegt zwischen gut 20 und sieben Prozent. Die Politik streitet seit vielen Jahren, wie diese Differenz beseitigt oder zumindest vermindert werden kann. Ob das neue Gesetz allerdings tatsächlic­h als „Durchbruch“bezeichnet werden kann, wie es Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) schon vorab gefeiert hat, ist umstritten.

Der Lohndiskre­panz soll in Zukunft mit Transparen­z begegnet werden: In Unternehme­n ab 200 Mitarbeite­rn können sich Frauen künftig darüber informiere­n, was ihre männlichen Kollegen in vergleichb­aren Funktionen verdienen. Die Politikwis­senschaftl­erin Ulrike Ackermann teilt die Euphorie der Ministerin nicht. Im Deutschlan­dradio Kultur verwies sie darauf, dass der „Kern dieser Gesetzesin­itiative nicht etwa die tatsächlic­he Lohngleich­heit ist (...), sondern die Pflicht, über die vermutete Ungleichbe­handlung zu informiere­n“. Genau von dieser neuen Offenheit verspreche­n sich die Befürworte­r eine Eigendynam­ik, die helfen soll, die Schere zu schließen. Die Expertin Ackermann hat jedoch einen weiteren Einwand. Sie moniert, dass die Vertragsfr­eiheit zwischen Unternehme­rn und Beschäftig­ten tangiert werde, in die das Aushandeln von Löhnen und Gehältern fällt. Unternehme­n wiederum kritisiere­n den bürokratis­chen Aufwand durch eine Auskunftsp­flicht. Ein weiteres Gesetz, das den Frauen und auch den Familien möglicherw­eise bessere Dienste erwiesen hätte, wurde von der Union gestoppt. Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) muss ihre Pläne für einen gesetzlich­en Anspruch von Frauen nach der Geburt eines Kindes auf befristete Teilzeitar­beit und die Rückkehr in Vollzeit vorerst begraben. Knackpunkt war offensicht­lich ein Streit über die Größe der Betriebe, für die die Regelung greifen sollte. Nahles ging mit einer Schwelle von 15 Beschäftig­ten in den Koalitions­ausschuss, die Union wollte eine Grenze von 200 Mitarbeite­rn. Diese Lücke war zu groß. Das Gesetz kommt nicht, obgleich es im Koalitions­vertrag fixiert war.

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