Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein heimliches Video und seine Folgen
Justiz 2014 schmuggelte sich eine Frau in einen Putenmastbetrieb und machte Aufnahmen für die „Soko Tierschutz“. Warum der Fall nun noch einmal das Augsburger Landgericht beschäftigte
Der Fall hatte 2014 für Aufsehen gesorgt: Auf einem Video war zu sehen, wie Tiere in einem Putenmastbetrieb im Landkreis Dillingen getötet wurden, indem sie zunächst mit einem Hieb auf den Kopf betäubt und anschließend mit einer Zange umgebracht wurden. Aufgenommen hatte es eine Frau, die sich beim Großbetrieb eingeschmuggelt hatte, als dieser eine Aushilfe suchte. Sie filmte für den Augsburger Verein „Soko Tierschutz“, eine Organisation, die deutschlandweit Tierquälerei aufdeckt, sei es in Ställen oder Forschungsinstituten. Der Verein zeigte den Betreiber der Mastanlage an und leitete das Material an Medien weiter; das Video wurde daraufhin auch im Fernsehen gezeigt.
Auch die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelte gegen den Betreiber der Mastanlage, stellte die Ermittlungen allerdings ein. Der Vorwurf, dass die Tiere unsachgemäß gehalten und getötet worden seien, habe nicht nachgewiesen werden können, hieß es. Soweit zur Vorgeschichte. Nun beschäftigte das Video von 2014 erneut die Justiz, vor dem Augsburger Landgericht kam es zu einem Zivilprozess.
Einer der Söhne des Betreibers hatte gegen den Augsburger Tierschutzverein geklagt. Er war auf den Aufnahmen zu sehen, die im Fernsehen gezeigt wurden, und zwar unverpixelt, wie er im Gerichtssaal sagte. Das hätte für ihn durchaus Folgen gehabt, sein Anwalt sprach beim Prozess von einem „Shitstorm“gegen seinen Mandanten, er habe sich einiges anhören müssen. Dieser sei in einer Situation unverpixelt im Fernsehen gezeigt worden, in der „jeder Laie denkt, oh Gott, ist das ein schlechter Mensch“.
Der Kläger wollte erreichen, dass Soko Tierschutz das Material nicht weiterverbreitet. Für den Vorsitzenden des Vereins eine zunächst nicht ganz unproblematische Forderung. Zum einen, sagte er, habe man als Verein ja nicht in der Hand, was andere mit dem Material machten, die es besitzen. Zum anderen halte er es auch für schwierig, Aufnahmen zu vernichten, die potenzielles Beweismaterial seien, sollte sich die Gesetzeslage einmal ändern. „Wir können da nicht Aufdeckungsgeschichte ausradieren.“Grundsätzlich gebe man Aufnahmen an Medien stets mit dem Hinweis drauf, Menschen unkenntlich zu machen.
Man habe keinen Einfluss darauf, dass die Aufnahmen dennoch unverpixelt gezeigt worden seien. Die Bemerkung des Anwalts des Klägers, Soko Tierschutz hätte selber pixeln sollen, ehe es die Aufnahmen an Medien geschickt habe, konterte der Vertreter des Vereins. Keine Medienanstalt akzeptiere bereits bearbeitetes Material, sie wollten die Rohversion, auch um Manipulation auszuschließen. Daneben sei das Video doch heute online gar nicht mehr unbearbeitet zu finden. Der Verein habe nicht das „kein Ziel“, das Material noch einmal zu verbreiten, ohnehin solle sich der Kläger vielleicht eher an das Fernsehmagazin wenden, das den Beitrag veröffentlich habe.
Schließlich einigten sich die Parteien. Der Verein akzeptierte, es künftig zu unterlassen, den Abschnitt der Aufnahme, in der der Kläger unverpixelt zu sehen ist, zu veröffentlichen oder an Dritte zu verteilen. Ausgenommen davon sind Gerichte und Anwälte. Darüber hinaus verpflichtet sich der Verein, alle Medien, denen er das Material zugespielt hatte, aufzufordern, es nicht weiter zu verbreiten.