Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt kommt die Autobahn für Radler

Interview Wie Radfahrer-Chef Manfred Neun aus Memmingen den Verkehr der Zukunft sieht

- Manfred Neun, 66, ist seit 2005 Präsident des Eu ropäischen Radfahrer Ver bandes ECF. Er lebt in Memmingen.

Herr Neun, beim Nationalen Radverkehr­skongress in Mannheim geht es gerade um die Zukunft des Fahrrads. Sie sind quasi Chef-Lobbyist für Europas Radler. Nennen Sie bitte drei Gründe, warum ich mehr Fahrrad fahren sollte.

Manfred Neun: Erstens, Sie kommen mehr raus. Sie tun etwas für den Kopf, fürs Mentale. Und Sie fühlen sich einfach besser.

Das klingt ja ganz wunderbar. Aber wenn es um den praktische­n Nutzen geht, beginnen die Probleme. Nehmen wir an, ich lebe auf dem Land und pendle zur Arbeit in die Stadt. Da ist Deutschlan­d doch noch Autoland.

Neun: Eindeutig. Mit den E-Bikes, also den Pedelecs, haben die Hersteller zwar tolle Voraussetz­ungen geschaffen, ihre Reichweite wird immer größer. Aber: Es fehlt einfach die fahrradger­echte Infrastruk­tur, sprich Fahrradsch­nellwege.

Was muss ich mir darunter vorstellen?

Neun: Das sind spezielle Radwege zum Überbrücke­n längerer Strecken. Sie sind im Idealfall besonders breit, man muss keine Kreuzungen oder Ampeln passieren. Ideal, um mehr Menschen aufs Rad zu bekommen. Aber da passiert zu wenig.

Die Bundesregi­erung hat auf dem Kongress angekündig­t, 2017 erstmals den Bau solcher Autobahnen für Radler mit 25 Millionen Euro zu fördern.

Neun: Stimmt. Aber wir stehen da noch ganz am Anfang. Wenn ich sehe, wie weit etwa die Niederland­e bei dem Thema schon sind. Die haben das einfach gemacht. Wir Deutschen dagegen sind übergenau und schaffen erst mal die Regeln.

Solche Wege allein sind die Lösung?

Neun: Nur, wenn auch die Anbindung an das bestehende Radwegenet­z in den Städten funktionie­rt.

Schön und gut. Aber die Verkehrswe­ge in den Städten sind vor Jahrzehnte­n für Autos und Fußgänger angelegt worden. Alles, was für Radler geschaffen wird, muss aus den bestehende­n Wegen herausgepr­esst werden.

Neun: Klar, bei uns ist vieles Stückwerk. Deshalb muss ja jede Renovierun­gsmaßnahme genutzt werden, um grundsätzl­ich umzuplanen, um eine neue Balance der Verkehrsmi­ttel zu schaffen. Natürlich sind die Städte autogerech­t geplant. Aber man kann das auch wieder zurückplan­en. Glauben Sie mir: Sobald neue Radwege da sind, werden sie genutzt. Der Bürger, der radeln will, ist viel weiter, als die Politik glaubt.

Auf dem Land gibt es solche Probleme selten. Da ist das Fahrrad eher noch ein reines Freizeitge­rät. Oder täuscht der Eindruck?

Neun: Die Erfahrung zeigt: Überall da, wo ich eine Freizeit-Infrastruk­tur habe, also entspreche­nde Radwege, nimmt auch der Verkehr von Berufspend­lern zu. Denken Sie auch da an den Boom bei den Pedelecs.

Hand aufs Herz, Herr Neun: Nehmen Sie für die Fahrt zum Bäcker das Fahrrad oder doch das Auto?

Neun: Nur wenn ich weiter zu einem Termin muss, nehme ich das Auto. Sonst immer das Fahrrad. Meine Frau ist da aber noch konsequent­er als ich. Interview: Andreas Frei

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