Augsburger Allgemeine (Land West)
Jetzt kommt die Autobahn für Radler
Interview Wie Radfahrer-Chef Manfred Neun aus Memmingen den Verkehr der Zukunft sieht
Herr Neun, beim Nationalen Radverkehrskongress in Mannheim geht es gerade um die Zukunft des Fahrrads. Sie sind quasi Chef-Lobbyist für Europas Radler. Nennen Sie bitte drei Gründe, warum ich mehr Fahrrad fahren sollte.
Manfred Neun: Erstens, Sie kommen mehr raus. Sie tun etwas für den Kopf, fürs Mentale. Und Sie fühlen sich einfach besser.
Das klingt ja ganz wunderbar. Aber wenn es um den praktischen Nutzen geht, beginnen die Probleme. Nehmen wir an, ich lebe auf dem Land und pendle zur Arbeit in die Stadt. Da ist Deutschland doch noch Autoland.
Neun: Eindeutig. Mit den E-Bikes, also den Pedelecs, haben die Hersteller zwar tolle Voraussetzungen geschaffen, ihre Reichweite wird immer größer. Aber: Es fehlt einfach die fahrradgerechte Infrastruktur, sprich Fahrradschnellwege.
Was muss ich mir darunter vorstellen?
Neun: Das sind spezielle Radwege zum Überbrücken längerer Strecken. Sie sind im Idealfall besonders breit, man muss keine Kreuzungen oder Ampeln passieren. Ideal, um mehr Menschen aufs Rad zu bekommen. Aber da passiert zu wenig.
Die Bundesregierung hat auf dem Kongress angekündigt, 2017 erstmals den Bau solcher Autobahnen für Radler mit 25 Millionen Euro zu fördern.
Neun: Stimmt. Aber wir stehen da noch ganz am Anfang. Wenn ich sehe, wie weit etwa die Niederlande bei dem Thema schon sind. Die haben das einfach gemacht. Wir Deutschen dagegen sind übergenau und schaffen erst mal die Regeln.
Solche Wege allein sind die Lösung?
Neun: Nur, wenn auch die Anbindung an das bestehende Radwegenetz in den Städten funktioniert.
Schön und gut. Aber die Verkehrswege in den Städten sind vor Jahrzehnten für Autos und Fußgänger angelegt worden. Alles, was für Radler geschaffen wird, muss aus den bestehenden Wegen herausgepresst werden.
Neun: Klar, bei uns ist vieles Stückwerk. Deshalb muss ja jede Renovierungsmaßnahme genutzt werden, um grundsätzlich umzuplanen, um eine neue Balance der Verkehrsmittel zu schaffen. Natürlich sind die Städte autogerecht geplant. Aber man kann das auch wieder zurückplanen. Glauben Sie mir: Sobald neue Radwege da sind, werden sie genutzt. Der Bürger, der radeln will, ist viel weiter, als die Politik glaubt.
Auf dem Land gibt es solche Probleme selten. Da ist das Fahrrad eher noch ein reines Freizeitgerät. Oder täuscht der Eindruck?
Neun: Die Erfahrung zeigt: Überall da, wo ich eine Freizeit-Infrastruktur habe, also entsprechende Radwege, nimmt auch der Verkehr von Berufspendlern zu. Denken Sie auch da an den Boom bei den Pedelecs.
Hand aufs Herz, Herr Neun: Nehmen Sie für die Fahrt zum Bäcker das Fahrrad oder doch das Auto?
Neun: Nur wenn ich weiter zu einem Termin muss, nehme ich das Auto. Sonst immer das Fahrrad. Meine Frau ist da aber noch konsequenter als ich. Interview: Andreas Frei