Augsburger Allgemeine (Land West)

„Faust“– eine Casting Show

Schauspiel Klexs Theater begibt sich in einer Schnellver­sion auf die Suche nach des Dramas Kern

- VON CLAUDIA KNIESS

Goethes „Faust“zu inszeniere­n ist schon was. Große Regisseure und gut ausgestatt­ete Theater beißen sich mitunter die Zähne daran aus. Faust vom Klexs Theater auf der Bühne des Kulturhaus Abraxas ist also gewagt. Damit das gelingen kann, hat Theaterche­fin Gabriele Beier nicht etwa den Goethe inszeniert, sondern eine ganz eigene Versuchsan­ordnung geschriebe­n und am Samstagabe­nd erstmals auf die Bretter gebracht: „Faust Highspeed – Ein Casting bei Mephisto persönlich“versetzt ironisch die Vorbereitu­ngen zu einer „Faust“-Inszenieru­ng ins Milieu einer Casting-Show.

Dabei dient das Setting mit einem klapprigen Stuhl und alten Koffern, auf die hingefläzt der Regisseur Darsteller sichtet, nicht nur als Ersatz für den „Prolog auf dem Theater“– es scheint auch, dass des Faustens klassische­s Streben nach tiefer Erkenntnis und üppigem Lebensgenu­ss heutzutage in fast allen Schichten und Berufsgrup­pen dem Drang nach Ruhm und Selbstdars­tellung gewichen ist. Der faustische Menschenty­pus wird in der Mediengese­llschaft ersetzt durch den Marshall McLuhans.

Entspreche­nd ist es Mephisto selbst (Matthias Guggenberg­er), der mit übergroßen Posen zwischen Verführer, Denker, Weltenbehe­rrscher und Komiker als One-ManJury herumstolz­iert und mit diabolisch­er – oder dieter-bohlen’scher – Freude konstatier­t, wenn die Kandidaten versagen und er ihnen ihre Unzulängli­chkeiten aufs Brot schmieren kann. Raphaela Miré, Susanna Hasenbach, Sarah Gebert und Gabriele Beier treten in wechselnde­n Rollen und Kostümen als Anwärter für Pudel, Hexen, Engel oder Gott auf; sie sprechen, singen, tanzen, kredenzen Tee und Kuchen oder warten verzweifel­t auf ihren eigenen Lichttechn­iker, der ebenso im Stau feststeckt wie der Musiker, der das ganze begleitet (Fabian Klebig) phasenweis­e in einer Depression. Irgendwie stecken sie alle fest in irgendetwa­s: in ihrer „tierischen Aufgeregth­eit“, aus der eine phänomenal­e Pudel-Improvisat­on wird (Hasenbach), oder in einem ulkigen Kostüm, dessen sich zu entledigen aus Mephistos klapprigen Stuhl wohl eine Besetzungs­couch machen soll.

Dann drängt die Zeit plötzlich und so muss der Goethe nun eben mit unfertigem Cast und stark gekürzt aufgeführt werden, es ist praktisch eine szenische Aneinander­reihung der Sätze, die alle mitspreche­n können: Von „Habe nun, ach! Juristerei …“über „Da steh ich nun, ich armer Tor…“und „Das also war des Pudels Kern“bis „Schönes Fräulein, darf ich’s wagen…“.

Es wird also einiges geboten, was ambitionie­rt und abwechslun­gsreich ist, aber die Frage nach des „Highspeed-Fausts“Kern aufwirft. Ein bisschen hat man das gleiche Gefühl wie früher bei der GoetheLekt­üre im Deutsch-Leistungsk­urs: Es gibt unglaublic­h viele spannende Aspekte, aber es ist schwierig das große Ganze zu fassen. Der Versuch allerdings lohnt: Es gibt den mit Sicherheit lustigsten Striptease, der je auf einer Augsburger Bühne zu sehen war (Beier), und ein ins Mark gehendes Lied Gretchens (Miré). Daneben gehört der mit Elementen des Butoh-Tanzes von Christine und Pius Schwegler dargestell­t Auftritt der Wind- und Waldgeiste­r zu den Highlights.

Nicht alle Bezüge werden klar und manches gerät vielleicht unfreiwill­ig komisch – aber Beier lässt dem Publikum gelassen die Wahl, wo es lachen und wo tiefsinnig einsteigen möchte. O

am 6. Mai um 20 Uhr im Kulturhaus Abraxas so wie am 6. April und am 9. Mai um 20.30 Uhr im Hoffmannke­ller.

Weitere Aufführung­en

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Foto: Wolfgang Diekamp Matthias Guggenberg­er wird in der Inszenieru­ng „Highspeed Faust“umgarnt von Ra phaela Miré, Sarah Gebert und Susanna Hasenbach.

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