Augsburger Allgemeine (Land West)

Wunderheil­ungen am Birnbaum

Geschichte Noch heute bitten viele Gläubige in der Wallfahrts­kirche in Sielenbach um Beistand

- VON EVELIN GRAUER

Sielenbach Wer an einer schweren Krankheit leidet oder um einen Angehörige­n bangt, betet vielleicht für ein Wunder. Manche Gläubige tun dies im Stillen zu Hause, andere suchen eine Kirche auf. Diejenigen, die die Gottesmutt­er als Fürspreche­rin gewinnen wollen, dürften sich in der Wallfahrts­kirche Maria Birnbaum in Sielenbach (Landkreis Aichach-Friedberg) gut aufgehoben fühlen. Der Überliefer­ung nach sind an diesem Ort beziehungs­weise durch die Fürbitte dort schon viele Wunderheil­ungen geschehen.

Bereits die Entstehung der Kirche verlief ungewöhnli­ch. Anfang des 17. Jahrhunder­ts stellten die Bewohner des Schlosses Stunzberg, das unweit südlich von Sielenbach lag, ein kleines Vesperbild – der Leichnam Jesu in Marias Schoß – auf. Schnell wurde das Bild von der Bevölkerun­g und der Schlossher­rschaft hoch verehrt. 1632 zündeten schwedisch­e Soldaten im Dreißigjäh­rigen Krieg das Vesperbild an und warfen es ins Jochmoor. Der Dorfhirte von Sielenbach, Johann Vogl, holte es, verbrannt und vermodert, dort heraus und stellte es in einen hohlen Birnbaum. An dieser Gedenkstät­te soll sich 1659 die erste Wunderheil­ung zugetragen haben. Eine Frau aus Meran und ihr Sohn wurden demnach geheilt, nachdem sie das Vesperbild, das der Frau im Traum erschienen war, aufgesucht hatten. In der Chronik der Kirche ist festgehalt­en, dass kurz darauf die taubstumme Magdalena Schnader aus Ziemetshau­sen geheilt wurde. Von da an pilgerten immer mehr Menschen zum Birnbaum.

Philipp Jakob von Kaltenthal, der der Niederlass­ung des Deutschen Ordens im nahen Blumenthal vorstand, beschloss bald, eine würdige Kirche zu errichten. 1668 wurde die Kirche des Deutschen Ordens, die um den Birnbaum herumgebau­t wurde, eingeweiht. Noch heute ist der Birnbaum hinter dem Altar zu sehen. Die Kirche ist den Sieben Schmerzen Mariens gewidmet und heißt offiziell „Unserer Lieben Frau im Birnbaum“. Auch architekto­nisch sticht das Bauwerk, das nach einem Fantasieen­twurf des Bauherrn errichtet wurde, heraus. Es gilt als erster großer barocker Zentralbau Bayerns und als erste Kuppelkirc­he nördlich der Alpen. Bemerkensw­ert auch, dass der Deutsche Orden die Kirche während der Säkularisa­tion Anfang des 19. Jahrhunder­ts abgeben musste, aber 1999 zurückkehr­te, um sich wieder um den Wallfahrts­ort zu kümmern und eine Niederlass­ung zu errichten. Durch die Hilfe der Bürger und der Spenden der Wallfahrer konnten der Orden und der Bauherr ihre Schulden bald begleichen.

An den Innenwände­n der Kirche hängen rund 60 Votivtafel­n. Mit den gespendete­n kleinen Bildern bedanken sich die Gläubigen für die Rettung aus einer Notlage oder verstärken damit ihre Bitte um Hilfe. 2008 wurden zwei Votivtafel­n aus der Kirche gestohlen, darunter das „Nadelwunde­r“von 1888. Es zeigt die wundersame Rettung eines Mädchens, das zuvor eine Stricknade­l verschluck­t hatte. Manchmal kehren entwendete Bilder auch auf wundersame Weise wieder zurück.

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Repro: Gerlinde Drexler Dieser Ausschnitt aus einer Zeichnung zeigt das Gnadenbild im hohlen Birn baum.
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55 rätselhaft­e Orte

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