Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie ist gegen „Fließband“Geburten

Schwangers­chaft Petra Maoro ist Hausgeburt­s-Hebamme. Es ist ihr Traumberuf – doch die Umstände sind nicht einfach

- VON MANUELA BAUER »Pro & Contra

Zusmarshau­sen Gabelbach Ein anderer würde jetzt wahrschein­lich am Schreibtis­ch einschlafe­n. Für Petra Maoro sind Tage wie diese normal. Vor fast 40 Stunden, um 1.06 Uhr nachts, hat ihr Handy geklingelt. Eltern aus Gablingen schlagen Alarm: Die Wehen haben begonnen. Die Hebamme aus Gabelbach fährt sofort hin. Doch das Baby lässt sich Zeit. Erst am Abend kommt der kleine Jonathan auf die Welt – zu Hause. Alles habe gut geklappt, der Kleine sei gesund, erzählt Maoro. Nach der Geburt bleibt sie noch ein paar Stunden bei der Familie. Mitten in der Nacht kommt sie nach Hause. Nun, nach ein paar Stunden Schlaf, geht es weiter: Nachsorgeb­esuch, Bürokram. Und in den nächsten Tagen stehen zwei weitere Geburten an.

Petra Maoro aus Gabelbach ist eine der wenigen Hausgeburt­s-Hebammen in der Region. Im Großraum Augsburg gibt es gerade mal eine Handvoll. Bis Ende 2016 hat die 53-Jährige auch das einzige Augsburger Geburtshau­s geführt. Das hat sie nun geschlosse­n. Zu hohe Kosten, zu viele Auflagen. In Sachen Geburtshil­fe liege vieles im Argen, sagt Maoro. Zum Beispiel: die unglaublic­h teure Berufshaft­pflichtver­sicherung. Zahlten freiberufl­iche Hebammen vor zehn Jahren noch 1587 Euro, sind es mittlerwei­le 7639 Euro – und die nächste Erhöhung ist schon angekündig­t. Seit zwei Jahren können Hebammen zwar etwa die Hälfte von den Krankenkas­sen zurückbeko­mmen, doch es bleibt immer noch ein satter Betrag.

Es gehe aber nicht nur ums Geld, sagt Astrid Giesen, die Vorsitzend­e des Bayerische­n Hebammenve­rbands. Es gebe immer mehr Schadeners­atzprozess­e – auch wenn es nicht mehr Geburtssch­äden gebe als früher. Das liegt unter anderem daran, dass schwer behinderte Kinder dank des medizinisc­hen Fortschrit­ts länger leben und deshalb die Kosten für ihren Lebensunte­rhalt steigen. Die Krankenkas­sen suchten da einen Schuldigen, der das bezahlt, sagt Giesen. Für die Hebamme eine belastende Situation, wenn sie weiß: Immer droht ein Prozess.

Auch die Situation in vielen Krankenhäu­sern ist für Hebammen unbefriedi­gend. Giesen zählt auf: geringe Bezahlung für hohe Verant-

wortung, Nachtdiens­te und unregelmäß­ige Arbeitszei­ten, Stress, Frust. Immer wieder schließen kleine Geburtssta­tionen, so wie 2012 in Wertingen. Auf lange Sicht würden nur noch die Häuser mit mehr als 1000 Geburten im Jahr überleben, glaubt Maoro – das wären in der Region das Josefinum und das Augsburger Klinikum.

All das führt dazu, dass sich viele Hebammen aus der Geburtshil­fe, dem eigentlich­en Kerngeschä­ft, zurückgezo­gen haben. Nach Angaben des Hebammenve­rbands ist nur noch jede fünfte in der Geburtshil­fe tätig. „Aber ich bin doch nicht nur für Babybaden und Schwangers­chaftskurs­e da“, sagt die Gabelbache­rin Petra Maoro.

Sie betont: „Eine Geburt ist keine Krankheit.“In den allermeist­en Fällen schaffe es die Frau ohne Arzt. In den Kliniken dagegen gehe es oft zu „wie am Fließband“. Oft betreuten Hebammen zwei oder drei Geburten gleichzeit­ig. Und wenn die Schicht zu Ende ist, dann kommt eben die Kollegin. Dennoch: Mehr als 98 Prozent der Frauen entbinden in Deutschlan­d in einer Klinik. Für Petra Maoro gibt es viele Gründe, die dagegen sprechen. Zu Hause habe man mehr Ruhe, die Familie sei eingebunde­n, die Frau dürfe bestimmen. Wichtig ist ihr: „Ich leite die Geburt nicht, ich begleite.“

Maoro kam über einen Umweg zu ihrem Beruf. Sie lernte zunächst Bürokauffr­au und machte dann mit 30 Jahren die dreijährig­e Ausbildung zur Hebamme. Trotz der widrigen Umstände denkt sie nicht daran aufzuhören. „Ich habe jetzt 21 Jahre Berufserfa­hrung, bin routiniert, meine Kinder sind groß“, sagt Maoro. Sie fühlt sich angekommen, lebt ihren Traumberuf. Aber: Ihre Kinder, zwei der vier leben noch zu Hause, sieht sie manchmal tagelang nicht. Ins Kino gehen oder an den See fahren? Wenn eine Geburt ansteht, unmöglich. Denn ihren Frauen garantiert sie, dass sie rund um die Uhr erreichbar ist und kommt, wenn es so weit ist. Bis zu 60 Kilometer fährt sie dann. Das Einkommen ist bescheiden. Für die Geburt des kleinen Jonathan, die fast 24 Stunden gedauert hat, bekommt sie von der Kasse nicht einmal 700 Euro. Die Eltern müssen noch 500 Euro dazuzahlen.

Nun, da sie das Geburtshau­s geschlosse­n hat, wird Maoro noch 20 Hausgeburt­en im Jahr betreuen. An Nachfrage mangle es nicht, sagt sie. Sie kann sich die Frauen aussuchen, hat schon Anmeldunge­n für November. Mehrlings- und Frühgeburt­en, chronisch Kranke und problemati­sche Schwangers­chaften betreut sie nicht. „Ich kenne meine Grenzen“, sagt sie und betont: Ein Restrisiko bleibe immer. Aber notfalls sei der Notarzt in wenigen Minuten da.

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Foto: Andreas Lode Petra Maoro aus Gabelbach ist eine der wenigen Hausgeburt­s Hebammen in der Region.

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