Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach dem Knast zurück nach China

Justiz Ein Augsburger will seinen Lebenstrau­m verwirklic­hen und ins „Reich der Mitte“auswandern. Dann kommt etwas dazwischen

- VON KLAUS UTZNI

In die USA oder nach Kanada auszuwande­rn, das können sich etliche Bundesbürg­er vorstellen. Aber nach China? In die kommunisti­sche Volksrepub­lik, das mit 1,4 Milliarden bevölkerun­gsreichste Land der Erde? Ja, es gibt solche Menschen. Auch einen 47-jährigen Augsburger. Bevor dieser aber seinen Lebenstrau­m verwirklic­hen kann, muss er wohl erst einmal fast drei Jahre im Knast absitzen.

Die Zeit hinter Gittern hat er nicht nur seiner miesen finanziell­en Lage, sondern auch seiner Sehnsucht nach dem „Reich der Mitte“zuzuschrei­ben. Und natürlich auch, weil er wieder einmal ein krummes Ding gedreht hat, das zur 14. Vorstrafe geführt hat. Der Automechan­iker, der offenbar bereits gute berufliche Kontakte bei Aufenthalt­en für ein Augsburger Unternehme­n in China gesammelt hatte, wollte 2016 seine Zelte in Deutschlan­d abbrechen und nach China übersiedel­n. Doch dazu braucht man Geld, was er zu diesem Zeitpunkt nicht hatte.

Er hatte nämlich seinen Job verloren. Also besorgte er sich das Startkapit­al für ein neues Leben auf illegale Weise. Mit einem ganz einfachen Trick: Er kannte die Kontodaten seines Vermieters und dessen Unterschri­ft und überwies sich selbst von dessen Konto im Januar 2016 einmal 1828,27 Euro und einmal 1517,23 Euro. Erst bei der dritten fingierten Überweisun­g – diesmal sollten gleich 2417,16 Euro auf seinem eigenen Konto landen – fiel einem Bankmitarb­eiter die gefälschte Unterschri­ft auf. Doch ehe die Ermittler zugreifen konnten, verschwand der 47-Jährige mit dem Flieger nach Peking.

Im Land der berühmten Großen Mauer arbeitete der Augsburger als Englischle­hrer. Pech für den ChinaFan, dass das Land inzwischen die Visa-Bedingunge­n geändert hatte. Für eine neue Aufenthalt­sgenehmigu­ng musste der Augsburger wieder zurück nach Deutschlan­d. Von China aus nahm er per E-Mail Kontakt mit der Staatsanwa­ltschaft auf. „Ich denke, dass ich per Haftbefehl gesucht werde. Ich will reden und möchte einen Pflichtver­teidiger“, schrieb er an die Ermittler. Die Anklagebeh­örde erfüllte den Wunsch des Aussteiger­s. Anwalt Klaus Rödl wurde ihm als Verteidige­r für das Verfahren zur Seite bestellt. Am 2. Dezember 2016 bestieg der reuige Sünder in Peking ein Flugzeug, das ihn nach Frankfurt brachte. Dort wurde er von der Grenzpoliz­ei sofort aufgrund eines Haftbefehl­s festgenomm­en.

Im Prozess vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r legte er ein Geständnis ab und wurde, auch aufgrund seiner Vorstrafen, zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Pech für ihn, dass auch die Bewährung für eine 16-monatige Strafe wegen Betrugs aus dem Jahr 2014 widerrufen wurde, die er nun ebenfalls hinter Gittern absitzen muss. Seiner großen Leidenscha­ft für das „Reich der Mitte“hat das neuerliche Urteil keinen Abbruch getan. „Nach der Haft will ich wieder nach China“, kündigte er noch im Gerichtssa­al an.

 ?? Foto: Marcus Brandt, ddp ?? Auswandern nach China? Für einen Augsburger wurde das jetzt zum Pro  blem.
Foto: Marcus Brandt, ddp Auswandern nach China? Für einen Augsburger wurde das jetzt zum Pro blem.

Newspapers in German

Newspapers from Germany