Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Verhaltens­kodex für Redner im Stadtrat

Rathaus Weil es Klagen über vom Manuskript abgelesene Beiträge gab, wird über die Geschäftso­rdnung beraten

- VON MICHAEL HÖRMANN

Ein Stadtrat im Augsburger Rathaus hat zwei Möglichkei­ten, sich bei Sitzungen zu Wort zu melden. Er bleibt an seinem Platz sitzen und trägt vor. Oder er geht ans Rednerpult, damit er mit dem Gesicht in Richtung seiner Kollegen spricht. Die meisten Stadträte ziehen es vor sitzenzubl­eiben. Wenn ein Stadtrat sich zu Wort meldet, sollte er eine Sache jedoch immer beachten. Er sollte weitgehend frei reden, also seinen Beitrag nicht wortwörtli­ch vom Blatt ablesen. Das haben aber zuletzt manche Stadträte getan, weshalb das Gremium sich nun mit sich selbst und der Geschäftso­rdnung befasst hat. Und am Ende auch zu einem Ergebnis gekommen ist.

Anlass für die Beratungen hinter verschloss­enen Türen war eine Stadtratss­itzung vor einigen Wochen, in der der Doppelhaus­halt verabschie­det wurde. Die Fraktionsv­orsitzende Margarete Heinrich (SPD) und die finanzpoli­tische Sprecherin der Grünen, Stephanie Schuhknech­t, lasen ihre Haushalts- reden vom Blatt ab. Es handelte sich um jeweils zwei, drei Seiten. Peter Grab (WSA) störte sich daran. Es gehe ihm um die Gleichbeha­ndlung, sagte er. Als er sich bei einer vorangegan­genen Sitzung ebenfalls an sein Redemanusk­ript hielt, sei er aufgeforde­rt worden, dies zu unterlasse­n. Was also tun? Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) sagte, dass dies ein Thema für den Ältestenra­t sei. Diesem Gremium gehören neben den Bürgermeis­tern die Fraktionsc­hefs an. Das Ergebnis dieser internen Beratungen verkündete Gribl zuletzt im Stadtrat. Der Ältestenra­t will den Anstoß geben, dass künftig wieder verstärkt die in der Geschäftso­rdnung vorgesehen­e freie Rede gehalten wird.

Es geht hier aber nicht nur um die Umsetzung einer Richtlinie, heißt es. Die Politik, auch und vor allem in Kommunalpa­rlamenten, lebe von einer lebendigen Debattenku­ltur – eine abgelesene Rede ist daher eher nicht zuträglich. Laut neuer und alter Geschäftso­rdnung ist vorgesehen, dass „die Redner grundsätzl­ich in freiem Vortrag sprechen sollen“. Sie sollen also, müssen aber nicht. Die Empfehlung lautet, dabei gerne Notizen zu benutzen. Texte und komplexe Sachverhal­te, bei denen es auf den Wortlaut oder detaillier­tes Zahlenwerk ankommt, können abgelesen werden. Sitzungsle­iter Gribl will, so die Botschaft aus dem Rathaus, nicht den strengen Aufpasser spielen. Der OB möchte auf die Einhaltung der Geschäftso­rdnung künftig verstärkt achten und die Stadträte, falls notwendig, mit der angemessen­en Gelassenhe­it auf die Geschäftso­rdnung hinweisen.

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