Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Verhaltenskodex für Redner im Stadtrat
Rathaus Weil es Klagen über vom Manuskript abgelesene Beiträge gab, wird über die Geschäftsordnung beraten
Ein Stadtrat im Augsburger Rathaus hat zwei Möglichkeiten, sich bei Sitzungen zu Wort zu melden. Er bleibt an seinem Platz sitzen und trägt vor. Oder er geht ans Rednerpult, damit er mit dem Gesicht in Richtung seiner Kollegen spricht. Die meisten Stadträte ziehen es vor sitzenzubleiben. Wenn ein Stadtrat sich zu Wort meldet, sollte er eine Sache jedoch immer beachten. Er sollte weitgehend frei reden, also seinen Beitrag nicht wortwörtlich vom Blatt ablesen. Das haben aber zuletzt manche Stadträte getan, weshalb das Gremium sich nun mit sich selbst und der Geschäftsordnung befasst hat. Und am Ende auch zu einem Ergebnis gekommen ist.
Anlass für die Beratungen hinter verschlossenen Türen war eine Stadtratssitzung vor einigen Wochen, in der der Doppelhaushalt verabschiedet wurde. Die Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich (SPD) und die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Stephanie Schuhknecht, lasen ihre Haushalts- reden vom Blatt ab. Es handelte sich um jeweils zwei, drei Seiten. Peter Grab (WSA) störte sich daran. Es gehe ihm um die Gleichbehandlung, sagte er. Als er sich bei einer vorangegangenen Sitzung ebenfalls an sein Redemanuskript hielt, sei er aufgefordert worden, dies zu unterlassen. Was also tun? Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) sagte, dass dies ein Thema für den Ältestenrat sei. Diesem Gremium gehören neben den Bürgermeistern die Fraktionschefs an. Das Ergebnis dieser internen Beratungen verkündete Gribl zuletzt im Stadtrat. Der Ältestenrat will den Anstoß geben, dass künftig wieder verstärkt die in der Geschäftsordnung vorgesehene freie Rede gehalten wird.
Es geht hier aber nicht nur um die Umsetzung einer Richtlinie, heißt es. Die Politik, auch und vor allem in Kommunalparlamenten, lebe von einer lebendigen Debattenkultur – eine abgelesene Rede ist daher eher nicht zuträglich. Laut neuer und alter Geschäftsordnung ist vorgesehen, dass „die Redner grundsätzlich in freiem Vortrag sprechen sollen“. Sie sollen also, müssen aber nicht. Die Empfehlung lautet, dabei gerne Notizen zu benutzen. Texte und komplexe Sachverhalte, bei denen es auf den Wortlaut oder detailliertes Zahlenwerk ankommt, können abgelesen werden. Sitzungsleiter Gribl will, so die Botschaft aus dem Rathaus, nicht den strengen Aufpasser spielen. Der OB möchte auf die Einhaltung der Geschäftsordnung künftig verstärkt achten und die Stadträte, falls notwendig, mit der angemessenen Gelassenheit auf die Geschäftsordnung hinweisen.