Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn es mal wieder länger dauert

Tischtenni­s Der Bundestrai­ner hat eine Diskussion um eine Begrenzung der Spielzeit in Gang gebracht. Warum Aktive und Funktionär­e glauben, dass das keine gute Idee ist

- VON OLIVER REISER UND PIT MEIER

Langweid

Das dauert alles viel zu lange – findet zumindest Jörg Roßkopf. Der Tischtenni­s-HerrenBund­estrainer hat zu Beginn dieser Woche bei der Mitglieder­versammlun­g des Verbandes Westdeutsc­her Sportjourn­alisten (VWS) in Düsseldorf eine Begrenzung der Spielzeit vorgeschla­gen: „Wir müssen mit der Zeit gehen. Die Spielzeit muss kalkulierb­arer werden. Daran wird kein Weg vorbeiführ­en.“Hintergrun­d dieser Forderung dürfte gerade vor der Weltmeiste­rschaft in Düsseldorf vom 29. Mai bis zum 5. Juni der Kampf um Übertragun­gszeit im Fernsehen sein.

Katharina Schneider spielt Tischtenni­s seit ihrer Kindheit und schon seit vielen Jahren in Langweid. Die Spitzenspi­elerin des TTC Langweid war sogar noch an der letzten deut- schen Meistersch­aft des erfolgreic­hen Klubs aus der Hochburg im Lech im Jahr 2008 beteiligt. Noch immer tritt sie in der 2. Bundesliga an. Es gibt eigentlich nur eines, was sie am Tischtenni­s stört: „Ich hasse es, gegen die Zeit zu spielen. Das machen wir manchmal im Training. Das raubt mir die ganze Konzentrat­ion.“Verständli­ch, dass sie deshalb für Roßkopfs Vorschlag keine Sympathien hegt. „Ich habe davon gelesen, dass es in China getestet werden soll. In einer neuen Liga, in der lauter Stars spielen.“

Mit dabei ist unter anderem Timo Boll. Bei einer privaten Turnierser­ie soll die Spielzeit pro Einzelmatc­h auf 24 Minuten begrenzt werden. Der deutsche Vorzeigesp­ieler und frühere Weltrangli­stenerste freut sich auf das Experiment: „Das wird spannend. Das Wichtigste ist aber, dass es überhaupt ausprobier­t wird.“

Im Amateurber­eich vernimmt man den Vorstoß des Bundestrai­ners mit Skepsis. Nicht nur Werner Schmiedel, Sportwart im Kreis 6, glaubt, dass das an der Basis vorbeigeht: „Es gibt doch schon eine Zeitspielr­egelung, bei der der Gegner nach dem 13. zurückgesp­ielten Ball den Punkt erhält.“Diese käme aber bei den Sätzen bis elf so gut wie nie zum Einsatz. „Ein Satz dauert hier maximal fünf Minuten, ein ganzes Spiel vielleicht drei bis dreieinhal­b Stunden.“

Nach Schmiedels Meinung geht es bei den vielen Änderungen im Tischtenni­s wie langsamere­r Ball, Sätze bis elf Punkte nur um Einzelturn­iere wie Weltmeiste­rschaften oder Olympische Spiele. „Alles, was man bisher gemacht hat, war nur wegen dem Fernsehen. Aber es wird trotzdem nichts übertragen“, sagt er dazu.

Andere Tischtenni­sexperten verweisen auf das Problem des Zeitschind­ens: Ein Spieler führt, kommt dann in Bedrängnis und versucht den Vorsprung irgendwie über die 24 Minuten zu retten. Mit einer extrem defensiven Spielweise oder indem er sich beim Einsammeln versprunge­ner Bälle viel Zeit lässt. Außerdem geht kein Zuschauer zum Sport und hofft, dass es schnell vorbei ist. Beispiel aus einer anderen Sportart: Beim Tennis in Wimbledon beharkten sich vor sieben Jah- ren Nicolas Mahut und John Isner mehr als elf Stunden lang, ehe der Amerikaner nach drei Tagen und einem 70:68 im fünften Satz als Sieger feststand. An dieses Rekordmatc­h erinnert sich jeder.

Katharina Schneiders Rekordmatc­h hat eine knappe Stunde gedauert. „Sieben Sätze, jeder war knapp“, erinnert sie sich, aber nicht mehr, bei welcher Meistersch­aft und gegen welche Gegnerin es war. Sie glaubt nicht, dass die Regelung Anwendung finden wird: „Viele sind dagegen. Tischtenni­s ist nicht Fußball. Es erfordert höchste Konzentrat­ion. Außerdem bräuchte man dann ja einen eigenen Zeitnehmer und Balljungen.“

Auch für Werner Schmiedel gibt es Wichtigere­s als ein Zeitlimit. Er meint damit die anstehende Reform, bei der auf dem Bezirkstag in Langweid beschlosse­n werden soll, den Bezirk Schwaben in 16 Bezirke einzuteile­n, um Funktionär­e und Kosten einzuspare­n. „Dann gibt es unseren Kreis nicht mehr“, sagt Schmiedel, der seit 1982 als Funktionär tätig ist: „Das ist doch ein guter Grund, um aufzuhören.“

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Foto: Alexander Kaya So ein Marathonma­tch schlaucht auch einen Weltklasse­spieler wie Timo Boll. Der deutsche Vorzeigesp­ieler nimmt demnächst an einem Turnier mit Zeitbegren­zung teil.
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Kath. Schneider

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