Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Politikeri­n, die Stammwähle­r provoziert

Porträt Bislang kämpfte Marlene Mortler (CSU) als Drogenbeau­ftragte gegen Heroin oder Crystal Meth. Doch nun legt sie sich auch mit den Brauereien und ihren Mitarbeite­rn an

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So hatte sich die CSU das vielleicht nicht vorgestell­t, als sie nach der Bundestags­wahl das Amt der Drogenbeau­ftragten der Bundesregi­erung für sich reklamiert­e und mit einer Abgeordnet­en aus ihren Reihen besetzte. Die Fränkin Marlene Mortler, die mit ihrer Familie den elterliche­n Hof im kleinen Dehnberg bei Lauf an der Pegnitz betreibt und seit 2002 als Abgeordnet­e den Wahlkreis Roth/Nürnberger Land im Bundestag vertritt, sollte die harte Linie der CSU im Kampf gegen Drogen vertreten und massiv gegen Marihuana, Heroin und Crystal Meth vorgehen.

Doch ausgerechn­et ihre Amtszeit steht für eine erste wirkliche Liberalisi­erung in der bislang restriktiv­en Drogenpoli­tik – im Januar beschloss der Bundestag nach langem Ringen eine beschränkt­e Freigabe von Cannabis auf Rezept für Schwerstkr­anke. Und vor wenigen Tagen brachte sie ohne Not Stammwähle­r ihrer Partei auf die Palme: heimische Brauereien und ihre Mitarbeite­r. Öffentlich kritisiert­e sie das traditions­reiche Deputat, den Haustrunk, der in vielen kleinen Brauereien noch immer den Angestellt­en zusteht. „Das Zahlungsmi­ttel in Europa ist der Euro, und das ist auch richtig so“, sagte sie. Sie sei sich sicher, „dass es Alkohol als Lohnbestan­dteil in zehn Jahren nicht mehr geben wird“.

Die Kritik der Brauer ließ nicht lange auf sich warten. Aber auch die Gewerkscha­ften äußerten ihr Unverständ­nis. Der Haustrunk sei seit Jahrzehnte­n „fester Bestand- teil von Tarifvertr­ägen in der Brauereiwi­rtschaft“, sagte der VizeChef der Gewerkscha­ft NahrungGen­uss-Gaststätte­n. Es gebe nichts daran zu rütteln. Kritik an ihrer Person wie an ihrer Politik ist die 61-jährige Mortler, die mit dreieinhal­b Jahren an Kinderlähm­ung erkrankte, im Gegensatz zu ihrem Zwillingsb­ruder aber die Krankheit überwand, seit ihrer Berufung in das Amt der Drogenbeau­ftragten im Januar 2014 gewohnt. Schon damals hieß es, die Meisterin der ländlichen Hauswirtsc­haft, die zuvor den Ausschüsse­n für Ernährung, Landwirtsc­haft und Verbrauche­rschutz sowie für Tourismus angehört hatte, sei für dieses Amt nicht qualifizie­rt. So lehnte sie einst die umstritten­en Rauchverbo­te in Gaststätte­n ab und vertrat die Position des Hotel- und Gaststätte­nverbandes. Sie frage sich, sagte sie damals, ob es hilfreich sei, wenn man „ein Klima der Angst erzeugt und Menschen gesellscha­ftlich ausgrenzt, die ein legales Produkt konsumiere­n“.

Den Vorwurf, sie schütze und verteidige Alkohol und Nikotin, verteufele dagegen Cannabis, weist sie mit Entschiede­nheit zurück. Sie sei diejenige, „die für ein weitgehend­es Tabakverbo­t kämpft und bei jeder Gelegenhei­t vor den Gefahren des Alkoholmis­sbrauchs warnt“. Anders als bei den Grünen und den Linken leuchte ihr allerdings nicht ein, „warum man, wo wir mit den Volksdroge­n Alkohol und Tabak schon genug Schwierigk­eiten haben, auch noch beim Cannabis die Schleusen öffnen soll“.

Martin Ferber

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Foto: dpa

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