Augsburger Allgemeine (Land West)
Der langsame Sturz des weinseligen Volkslieblings
Österreich Wiens populärer Bürgermeister Häupl bezwang aufsehenerregend die FPÖ. Jetzt sägt ihn seine eigene Partei ab
Wien.
Wiens Langzeitbürgermeister Michael Häupl, 67, ist ein Kämpfer und ein erfahrener Taktiker. Seit 23 Jahren Chef im Rathaus, hat er immer wieder bewiesen, dass er Wahlen gewinnen kann. Zuletzt konnte der Sozialdemokrat auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Oktober 2015 entgegen den Umfragen klar sein Amt gegen den rechtsradikalen FPÖ-Chef Strache verteidigen.
Damals wie heute signalisiert Häupls Körpersprache Machtbewusstsein: breitbeinig, Hände in den Hosentaschen und immer auf der Hut. „Fiaker“lautet Häupls Spitznahme wegen seiner weinseligen volkstümlichen Art. Und trotz Klagen über „Freunderlwirtschaft“gilt das „Rote Wien“seit Jahren als eine der lebenswertesten und am besten verwalteten Städte der Welt. Das ist auch Häupls Verdienst, doch die Amtstage des populären Bürgermeisters sind bald gezählt.
Woran die FPÖ in der von Strache ausgerufenen „Oktoberrevolution“gescheitert ist, erledigt nun seine eigene Partei: Nach wochenlangem Streit und Intrigen in der SPÖ kündigte der 67-Jährige verbittert seinen Rückzug an. Bis zu den kommenden Parlamentswahlen werde er noch den SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern unterstützen und dann abtreten. „Ich möchte der sozialdemokratischen Partei und dem Kanzler bei der Nationalratswahl helfen. Nachher kann man über alles reden.“Häupl ist empört über Intrigen seiner Wiener Parteifreunde: „Mir über Zeitungen innerparteilich auszurichten, was ich zu tun habe, das geht gar nicht“, sagt er. „Ich bin ja nicht der letzte Dahergelaufene. Das ist zutiefst respektlos, das kann man sich nicht gefallen lassen, und ich habe auch nicht die Absicht, das zu tun.“
Zuvor hatten Häupls parteiinterne „Ziehsöhne“seine Zukunftsfähigkeit angezweifelt. „Häupl braucht Mut zur Veränderung“, sagte der SPÖ-Parteimanager Christian Deutsch. Andere sticheln über den Genussmenschen Häupl, der gern „weißen Spritzer“trinke und den nun sein politischer Instinkt verlassen habe. In der SPÖ werden offen Probleme im Finanz-, Gesundheits- und Schulwesen Wiens beklagt. Gemeinderat Deutsch ist das Sprachrohr eines Teils der Häupl-Gegner und twittert gern. Als die SPÖ vor Wochen in Graz bei den Gemeindewahlen auf magere zehn Prozent abgestürzt ist, twitterte Deutsch vielsagend: „So schaut’s aus, wenn SPÖ-Langzeit-Bgm. Nachfolge nicht rechtzeitig regeln und loslassen.“
Deutsch und etliche andere Häupl-Kritiker sind Freunde des ehemaligen Bundeskanzlers Werner Faymann. Der glücklose SPÖ-Politiker trat gedemütigt ab, nachdem er bei der Kundgebung am 1. Mai am Wiener Rathausplatz von der eigenen Anhängerschaft niedergebrüllt und ausgepfiffen wurde. Damals hat sich der Riss durch die SPÖ weiter vertieft und verheilte auch unter dem neuen Parteichef und Kanzler Christian Kern nicht.
Der Zorn der Faymann-Freunde richtete sich fortan vor allem auf Häupl. So werden der eng mit Faymann befreundeten Parlamentspräsidentin und Ex-Verkehrsministerin Doris Bures Ambitionen nachgesagt, sie wolle Häupl aus dem Amt drängen, um anschließend selbst den populären Wiener SPÖ-Bürgermeisterposten zu übernehmen.
Häupl hat nicht nur die Faymann-Getreuen gegen sich, sondern in Wiens SPÖ auch mächtige Stadtteil-Parteichefs aus den Arbeiterbezirken mit hohem Ausländeranteil. Sie fürchten sich vor allem vor der starken FPÖ. Die Bezirkschefs plädieren für den für Wohnungsbau zuständigen Stadtrat Michael Ludwig als Häupl-Nachfolger, einen brav wirkenden Parteisoldaten, aber ohne Charisma.
Häupl befürchtet allerdings, dass weder Bures noch Ludwig 2020 die Wien-Wahl gewinnen können. Offiziell lehnt er es deshalb ab, einen der Nachfolgekandidaten zu unterstützen: „Ich bin kein Erbhofbauer.“Am liebsten würde er wohl einen Kandidaten von außen suchen, so einen wie den Manager Kern. Doch dazu braucht Häupl Zeit.
So ist seine Ankündigung, dem neuen SPÖ-Kanzler Kern als Wahlkämpfer zur Seite zu stehen und deshalb bis nach den Wahlen mit einer Amtsübergabe an einen Jüngeren warten zu wollen, vermutlich nur ein taktischer Schachzug. Immerhin gelang es Häupl damit, einen offenen Putschversuch seiner Gegner beim Wiener SPÖ-Parteitag Ende April noch zu verhindern. Ganz leicht wird es der „Fiaker“im Rathaus den roten Rebellen nicht machen.