Augsburger Allgemeine (Land West)

Trump demonstrie­rt seine Unberechen­barkeit

USA Erst Raketen auf Syrien, jetzt Flottenbef­ehl Richtung Nordkorea: Der amerikanis­che Präsident wirft in der Außenpolit­ik alle Erwartunge­n und auch seine eigenen Ankündigun­gen über den Haufen. Steckt dahinter Strategie oder Spontanitä­t?

- VON THOMAS SEIBERT UND FINN MAYER KUCKUK

Washington/Peking

Wer geglaubt haben sollte, dass Donald Trumps Raketenang­riff auf den syrischen Luftwaffen­stützpunkt Schayrat irgendetwa­s am Grauen des Bürgerkrie­ges in Syrien ändern würde, hat sich getäuscht. Am Tag nach der Attacke der US-Marschflug­körper starteten in Schayrat schon wieder die ersten syrischen Kampfflugz­euge. Ziel der Bomber: Die Stadt Chan Scheichun, wo vergangene Woche mehrere Dutzend Menschen durch Giftgas getötet wurden.

Die 59 Marschflug­körper vom Typ Tomahawk, die am Freitag in Schayrat einschluge­n, zerstörten nach amerikanis­chen Angaben etwa 20 Kampfjets der syrischen Armee. Allerdings blieben die Startbahne­n der Basis entgegen ersten Meldungen unversehrt: Die syrische Luftwaffe schickte bereits am Samstag von Schayrat aus wieder Jets zu Einsätzen los. Trump betonte, die Tomahawks hätten gar nicht auf die Startbahne­n gezielt, weil diese ohnehin leicht zu reparieren seien. Den Militärsch­lag rechtferti­gte er in einem Brief an den Kongress mit dem Schutz amerikanis­cher Interessen. Sollte es die Lage erfordern, werde er „zusätzlich­e Handlungen“anordnen. Auch Trumps UN-Botschafte­rin Nikki Haley sagte, die USA seien bereit, „mehr zu tun“.

Doch anders als in den ersten Stunden nach dem Tomahawk-Angriff, als die amerikanis­che Öffentlich­keit und die meisten Politiker dem Präsidente­n den Rücken stärkten, werden inzwischen kritische Töne lauter. Die Washington Post meldete, Trump habe seine Entscheidu­ng getroffen, nachdem er im Fernsehen die schrecklic­hen Bilder von Kindern gesehen habe, die durch das Giftgas in Chan Scheichun getötet worden waren. Der Präsident habe engen Beratern gegenüber betont, wie „fürchterli­ch“die Bilder gewesen seien.

Doch reichen Gefühle als Basis für eine Militärakt­ion aus, die noch dazu die eigene bisherige Position gegenüber dem Syrien-Konflikt über den Haufen wirft? Kritiker meinen: Nein. Der Angriff in Schayrat habe lediglich „die Heuchelei der Nahostpoli­tik unter Trump“offengeleg­t, kritisiert­e der opposition­elle Senator Chris Murphy von den Demokraten. Er verwies darauf, dass sich Trump durch das Leid der Syrer zwar zu einem Militärsch­lag hinreißen lasse, aber nicht dazu, syrische Flüchtling­e in die USA aufzunehme­n. Über Jahre hatten die USA alles getan, um sich aus dem Syrien-Krieg so gut es ging herauszuha­lten. Seit dem Einsatzbef­ehl für die Tomahawks haben we- der Trump noch seine Berater den Amerikaner­n erläutert, von welchen Prinzipien die neue Syrien-Politik der Supermacht geleitet werden soll.

Außenminis­ter Rex Tillerson wird in wenigen Tagen in Moskau erwartet, wo die über den Tomahawk-Angriff verärgerte russische Führung auf Erklärunge­n pocht. Was Tillerson im Gespräch mit Wladimir Putin sagen wird, ist nicht bekannt. Moskau kritisiert bereits die „Unberechen­barkeit“der USA. Auch amerikanis­che Beobachter rechnen damit, dass die Aktion in Schayrat der Anfang einer Phase der Impulsivit­ät und Unsicherhe­it gewesen sein könnte. Eine „TrumpDoktr­in“sei dabei nicht in Sicht; erst vor wenigen Tagen sagte der Präsident von sich selbst, er sei „flexibel“, was sein Handeln angehe.

Nach dem Luftschlag gegen Syrien erhöhte Trump am Sonntag auch den Druck auf Nordkorea. Der US-Präsident schickte einen Flugzeugtr­äger zusammen mit drei Geleitschi­ffen in koreanisch­e Gewässer. Eines der Schiffe in dem Verband kann auch Marschflug­körper abfeuern, wie sie in Syrien zum Einsatz kamen. Die Machtdemon­stration wird nach Ansicht von Experten eine Gegenreakt­ion Nordkoreas hervorrufe­n. Sie erwarten zum Beispiel einen weiteren Atomtest, um den USA zu zeigen, welche Folgen ein Angriff haben könnte.

Trumps Handeln wird auch die Chinesen verärgern, denen amerikanis­che Aktionen vor der eigenen Haustür stets verdächtig erscheinen. Eine offizielle Reaktion steht zwar noch aus, doch der Affront gegenüber Pekings Führung ist offensicht­lich: Beim Treffen mit Chinas Präsidente­n Xi Jinping am Freitag hatte Trump noch von einer Lösung unter Einbeziehu­ng Pekings gesprochen. Jetzt handelt er eigenmächt­ig und schickt den Flugzeugtr­ägerverban­d in ein Seegebiet, das eben nicht nur vor Nordkorea, sondern auch vor China liegt.

Xi hat sich dem Vernehmen nach ohnehin am Freitag von Trump düpiert gefühlt, weil er nicht wie Russland vorab über den Angriff in Syrien vorab informiert wurde. Der Luftschlag auf die syrische Luftwaffen­basis hatte schon vor Beginn des Abendessen­s in Florida begonnen, doch Trump erwähnte den Vorgang erst beim Dessert.

Bis jetzt hatte China gehofft, dass die neue US-Regierung sich abkapselt und die Krisenherd­e der Region den örtlichen Platzhirsc­hen überlässt. Für Japan war das ein Albtraumsz­enario. Die Regierung in Tokio zeigt sich nun hocherfreu­t über den Kurswechse­l der Amerikaner: Regierungs­chef Shinzo Abe telefonier­te gleich am Sonntag eine Dreivierte­lstunde lang mit Trump: Er lobte ihn für seine Bereitscha­ft zum Eingreifen in höchsten Tönen.

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Foto: Alex Brandon, dpa US Präsident Donald Trump: Er sei „flexibel“, was sein Handeln angehe, sagt der Mann im Weißen Haus.
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Foto: dpa Archiv Kurs auf Korea: US Flugzeugtr­äger USS Carl Vinson.

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