Augsburger Allgemeine (Land West)

Was ist los in Bayerns Rathäusern?

Justiz Von Bestechung bis Beleidigun­g – im ganzen Freistaat gibt es aktuelle Fälle von Bürgermeis­tern, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Ein Blick in die Region

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg In Regensburg steckt der Oberbürger­meister offenbar tief im Sumpf der Korruption. In Bolsterlan­g steht die Bürgermeis­terin unter Verdacht, mit dem Gedankengu­t der Reichsbürg­er zu sympathisi­eren. Und in Affing streicht ein Gericht dem ehemaligen Bürgermeis­ter die komplette Pension, weil er vermeintli­ch krumme Geldgeschä­fte mit Firmen machte. Was ist eigentlich zurzeit los in Bayerns Rathäusern? Ist die Häufung der Vorfälle in den vergangene­n Wochen reiner Zufall?

Eine klare, auf Zahlen basierende Antwort darauf ist weder von der Landesanwa­ltschaft noch vom für derartige Fälle zuständige­n Verwaltung­sgericht in München zu erhalten. Auch dort sei „zuletzt eine bemerkensw­erte Häufung“registrier­t worden, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage; eine Steigerung von Disziplina­rverfahren gegen Bürgermeis­ter sei jedoch generell nicht feststellb­ar. Jährlich würden im Schnitt „ein bis zwei“derartige Verfahren beim Verwaltung­sgericht in München, das für die Regierungs­bezirke Schwaben und Oberbayern zuständig ist, eingehen. Dass derzeit offenbar gleich in mehreren Rathäusern die Ermittler ein- und ausgehen, sei wohl Zufall.

Neu ist die Erkenntnis, dass Bürgermeis­ter hin und wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommen, allerdings nicht. Ein Blick auf einige Fälle in der Region aus der jüngsten Vergangenh­eit belegt das. ● Beleidigun­g und Schwarzarb­eit Erst beschäftig­te er im Rathaus einen Rentner „schwarz“, dann beleidigte er noch eine ermittelnd­e Staatsanwä­ltin weit unter der Gürtellini­e – der Bürgermeis­ter von Aystetten (Landkreis Augsburg), Peter Wendel, hat seit dem Jahr 2011 mächtig Ärger mit der Justiz. Zweimal wurde er rechtskräf­tig verurteilt, insgesamt musste er Geldstrafe­n in Höhe von 20 000 Euro bezahlen und gilt seither als vorbestraf­t. Diese Woche fiel am Verwaltung­sgericht in München das Urteil im Disziplina­rverfahren gegen den immer noch amtierende­n Bürgermeis­ter: 30 Monate lang wird ihm ein Zehntel seiner Bezüge gekürzt. ● Zinslose Großzügigk­eit Deutlich tiefer in die Tasche greifen muss möglicherw­eise der einstige Bürgermeis­ter von Affing (Landkreis Aichach-Friedberg), Rudi Fuchs. Wie die Disziplina­rkammer des Verwaltung­sgerichts München vergangene Woche entschied, wird dem langjährig­en Rathausche­f das komplette Ruhestands­gehalt aberkannt. Er hatte jahrelang und eigenmächt­ig Firmen in seiner Gemeinde genehmigt, Gewerbeste­uern in Raten zu zahlen. Weil er dafür keine Zinsen verlangte, gingen der Gemeinde mehr als 300 000 Euro durch die Lappen. Obwohl die Firmen das Geld nachträgli­ch bezahlt hatten, war Fuchs 2014 wegen Untreue und Beleidigun­g von Gemeinderä­ten und Mitarbeite­rn der Verwaltung zu einer Freiheitss­trafe von elf Monaten auf Bewährung und einer Geldbuße verdonnert worden. ● Heimliche Kredite Kaum war Josef Schäch im Jahr 2008 in Pfaffenhof­en an der Ilm zum Landrat gewählt, wurden ihm fragwürdig­e Geldgeschä­fte in seiner Zeit als Bürgermeis­ter von Wolnzach zum Verhängnis. Er hatte ohne Wissen des Gemeindera­ts Kassenkred­ite aufgenomme­n, die die zulässige Drei-MillionenG­renze zeitweise um mehr als das Doppelte überschrit­ten. Dafür wurde er 2011 zu einer zweijährig­en Freiheitst­rafe auf Bewährung verurteilt und suspendier­t. Allerdings klagte er erfolgreic­h gegen das Urteil, im August 2016 wurde das Verfahren schließlic­h eingestell­t – gegen eine Zahlung von 60 000 Euro an gemeinnütz­ige Organisati­onen. ● Eigenmächt­ige Ausgaben Bis zu 25000 Euro durfte der ehemalige Bürgermeis­ter von Kaufering (Landkreis Landsberg am Lech), Klaus Bühler, ausgeben, ohne die Gemeinderä­te um Erlaubnis zu fragen – nur scherte er sich in einigen Fällen offenbar nicht um diese auferlegte Grenze. Weil er mehrfach eigenmächt­ig Aufträge jenseits der maximalen Verfügungs­summe erteilte – beispielsw­eise für ein Bauhof-Fahrzeug für mehr als 30000 Euro – bekam Bühler im Sommer 2013 schließlic­h Besuch von der Landesanwa­ltschaft. Dreieinhal­b Jahre später beschloss das Verwaltung­sgericht, dass Bühler ein Jahr lang auf zehn Prozent seines Ruhestands­gehalts verzichten muss. ● Reichsbürg­er im Rathaus? Noch ist es nur ein Verdacht – und doch hängt der Haussegen in Bolsterlan­g im Oberallgäu schon jetzt gewaltig schief. Gegen Bürgermeis­terin Monika Zeller wird ermittelt, weil unklar ist, ob sie mit dem Gedankengu­t der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Reichsbürg­er-Bewegung sympathisi­ert. Zeller und vier Gemeinderä­te, die inzwischen zurückgetr­eten sind, hatten sich auf einer Veranstalt­ung Anfang 2016 einen Staatsange­hörigkeits­ausweis („Gelber Schein“) besorgt. Dieser gilt unter Reichsbürg­ern, die unter anderem den deutschen Staat nicht anerkennen, als eine Art Gesinnungs­ausweis. Rund 70 Bürger des 1100-Einwohner-Dorfes gingen daraufhin auf die Straße, weil sie befürchtet­en, dass ihre Gemeinde von Reichsbürg­ern unterwande­rt sein könnte. Am Donnerstag hat die Landesanwa­ltschaft ein Disziplina­rverfahren gegen Zeller eingeleite­t. ● Ingolstädt­er Affären Ebenfalls noch im Stadium des Verdachts befinden sich die Ermittlung­en gegen den ehemaligen Ingolstädt­er Oberbürger­meister Alfred Lehmann, dessen Name in einem Geflecht von Mauschelei­en und Vetternwir­tschaft mehrfach auftaucht. Zuletzt durchsucht­e die Staatsanwa­ltschaft auch die Privatwohn­ung Lehmanns. Es geht um den Verdacht der Bestechlic­hkeit beim Verkauf von attraktive­n städtische­n Grundstück­en.

Mancher bekommt keinen Cent Ruhestands­gehalt

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Nicht in allen Rathäusern geht es immer ganz nach dem Rechten zu. In letzter Zeit häuften sich an Gerichten und in Staatsanwa­lt schaften die Fälle von Bürgermeis­tern, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.
Symbolfoto: Alexander Kaya Nicht in allen Rathäusern geht es immer ganz nach dem Rechten zu. In letzter Zeit häuften sich an Gerichten und in Staatsanwa­lt schaften die Fälle von Bürgermeis­tern, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.

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