Augsburger Allgemeine (Land West)

Nicht unter Generalver­dacht stellen

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Was ist nur los in Bayerns Rathäusern? Diese Frage stellt sich unweigerli­ch, wer die Liste der aktuellen Ermittlung­en, Verdachtsf­älle und Verfahren gegen Bürgermeis­ter durchforst­et. Bestechung, Beleidigun­g, Amtsmissbr­auch, Untreue, verfassung­sfeindlich­es Gedankengu­t – die Liste liest sich wie ein Auszug aus dem Strafgeset­zbuch und es entsteht schnell der Eindruck, als würde es in Bayerns Rathäuser drunter und drüber gehen. Das ist unfair und Unsinn.

Nur ein Bruchteil aller bayeri- schen Bürgermeis­ter kommt in seiner Laufbahn tatsächlic­h mit dem Gesetz in Konflikt. Die meisten der oftmals auch ehrenamtli­chen Rathaus-Chefs opfern viel Lebenszeit und Engagement im Dienste ihrer Heimatgeme­inde und dafür gebührt ihnen viel Lob und Dank.

Nichtsdest­otrotz zeigen die zahlreiche­n kleineren und größeren Affären, dass das Amt und die Macht eines Rathaus-Chefs auch einige Verlockung­en mit sich bringen. Der Tübinger Politikwis­senschaftl­er Hans-Georg Wehling hat einmal ge- sagt, dass Bürgermeis­ter schon kraft ihres Amtes Grenzgänge­r seien. Sie müssten oft weltfremde Gesetze aus München, Berlin oder Brüssel an die tatsächlic­hen Verhältnis­se vor Ort anpassen, ohne die eigenen Wähler zu verprellen. Das gelinge oft dem am besten, der sich die Gesetze für seine Interessen am besten zurechtbie­gen kann.

Da ist anscheinen­d was dran, sieht man sich die Vergehen vieler Politiker an. Und dennoch sollte nicht der Eindruck entstehen, es würde sich dabei um die Mehrheit handeln.

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