Augsburger Allgemeine (Land West)
Nicht unter Generalverdacht stellen
Was ist nur los in Bayerns Rathäusern? Diese Frage stellt sich unweigerlich, wer die Liste der aktuellen Ermittlungen, Verdachtsfälle und Verfahren gegen Bürgermeister durchforstet. Bestechung, Beleidigung, Amtsmissbrauch, Untreue, verfassungsfeindliches Gedankengut – die Liste liest sich wie ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch und es entsteht schnell der Eindruck, als würde es in Bayerns Rathäuser drunter und drüber gehen. Das ist unfair und Unsinn.
Nur ein Bruchteil aller bayeri- schen Bürgermeister kommt in seiner Laufbahn tatsächlich mit dem Gesetz in Konflikt. Die meisten der oftmals auch ehrenamtlichen Rathaus-Chefs opfern viel Lebenszeit und Engagement im Dienste ihrer Heimatgemeinde und dafür gebührt ihnen viel Lob und Dank.
Nichtsdestotrotz zeigen die zahlreichen kleineren und größeren Affären, dass das Amt und die Macht eines Rathaus-Chefs auch einige Verlockungen mit sich bringen. Der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling hat einmal ge- sagt, dass Bürgermeister schon kraft ihres Amtes Grenzgänger seien. Sie müssten oft weltfremde Gesetze aus München, Berlin oder Brüssel an die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort anpassen, ohne die eigenen Wähler zu verprellen. Das gelinge oft dem am besten, der sich die Gesetze für seine Interessen am besten zurechtbiegen kann.
Da ist anscheinend was dran, sieht man sich die Vergehen vieler Politiker an. Und dennoch sollte nicht der Eindruck entstehen, es würde sich dabei um die Mehrheit handeln.