Augsburger Allgemeine (Land West)

„Immerhin wusste ich, wie Kühe aussehen“

Interview Christiane Ade aus Gerlenhofe­n ist neue Bezirksbäu­erin. Dabei hatte sie nie etwas mit Landwirtsc­haft am Hut. Ein plötzliche­r Umstand brachte sie dazu, ihr Medizinstu­dium abzubreche­n und in Gummistief­el zu schlüpfen

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Frau Ade, Sie haben Medizin studiert – sind jetzt aber Chefin von 55 Milchkühen, Mutter von drei Kindern, neue Bezirksbäu­erin und ganz nebenbei noch Vorsitzend­e des Gerlenhofe­r Musikverei­ns. Schon irgendwie verrückt, oder?

Ja, das können Sie laut sagen. Bei mir ist alles anders gekommen als erwartet. Und was die Landwirtsc­haft angeht: Ich hab’ von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt. Ich habe nicht einmal die technische­n Geräte gekannt. Immerhin hab’ ich gewusst, wie Kühe aussehen. Dass sie nicht lila sind.

Christiane Ade:

Sie hatten vorher keinen Schimmer von Landwirtsc­haft, haben aber steil Karriere gemacht und sind nun Bezirksbäu­erin – wie geht das?

Nach meiner Ausbildung als Krankensch­wester habe ich unbedingt Medizin studieren wollen. Ich wurde in Ulm angenommen und habe in Gerlenhofe­n in einer Wohngemein­schaft mit einer Freundin gelebt. Und von dort aus ist alles ganz schnell gegangen.

Ade:

Wie meinen Sie das?

Ich hab’ meinen Mann Klaus kennengele­rnt und wenig später war ich schwanger. Ja, das klingt alles sehr verrückt. Aber manchmal ist’s halt so im Leben. Mein Mann und ich haben uns für das Kind entschiede­n. Was anderes kam für mich nicht infrage, nur weil es nicht in meine Lebensplan­ung gepasst hätte.

Ade:

Und dann: Raus aus dem weißen Kittel und rein in die Gummistief­el?

So ungefähr. Als das Kind da war, bin ich aus meiner WG ausgezogen und zu meinem Mann auf den Hof gegangen. Da war ich 27. Die Mutter meines Mannes ist kurz zuvor gestorben. Also war ich plötzlich die einzige Frau im Haus – neben vielen vierbeinig­en Damen …

Ade:

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Arbeit auf dem Hof?

Ja, ich war von jetzt auf gleich beim Melken eingeteilt. Das war schon eine Herausford­erung. Ich hatte Respekt vor den Kühen. Und wenn ich drüber nachdenke: Die Tragweite war mir nicht so ganz bewusst. Ich bin da mit einer Unbeschwer­theit rein. Ich hab’s halt einfach gemacht.

Ade:

Bei all den Problemen wie die Milch- preiskrise oder die schlechten Getreidepr­eise: Hatten Sie und Ihr Mann je Zweifel daran, einen Hof zu führen?

Als ich in die Familie gekommen bin und der Generation­enwechsel angestande­n ist, haben wir alle Möglichkei­ten durchgespi­elt – aufhören, nur noch Hühner oder etwas ganz anderes aus dem Hof machen. Mein Mann hat auch über eine andere Arbeit nachgedach­t. Aber da kam der Moment, an dem ich gesagt habe: Nein. So sehr das manchmal auch nervt, an Hof und Tiere gebunden zu sein – die Arbeit macht mir Spaß und er ist schließlic­h da aufgewachs­en. Das wäre für ihn unrealisti­sch gewesen, aus der Selbststän­digkeit heraus Angestellt­er zu sein.

Ade:

Was verbinden Sie mit dem Wort „Bäuerin“und an was denkt die Gesellscha­ft dabei?

Für manche ist eine Bäuerin noch eine altbackene Frau in Gummistief­eln und Kopftuch. O.k., eine Kopfbedeck­ung in Form einer Schildkapp­e trag’ ich auch, aber mit der altmodisch­en Vorstellun­g hat eine Bäuerin heutzutage nichts mehr zu tun. Meine Generation oder Jüngere vermitteln ein anderes Bild, fernab der Klischees. Ich glaube, da findet schon ein Umdenken statt.

Ade:

Inwiefern?

Die jungen Bäuerinnen, die sich bewusst für den Hof entscheide­n, lieben die Arbeit. Und wenn man selbst den Begriff Bäuerin nicht als negativ empfindet, tun es andere auch. Ich hatte keine Zeit zum Hadern. Ich hab’ mich zurechtfin­den müssen.

Ade:

Sich als Neu-Bäuerin zurechtfin­den – haben Sie sich deshalb dem Bauernverb­and angeschlos­sen?

Ich bin eher ganz plötzlich drin

Ade:

gewesen. Das zieht sich irgendwie durch mein Leben (lacht). Die damalige Ortsbäueri­n hat mich mit zur Versammlun­g genommen – rausgegang­en bin ich als stellvertr­etende Vorsitzend­e. Dann bin ich 2012 Kreisbäuer­in geworden. Das alles habe ich mir nicht vorgenomme­n.

Seit ein paar Wochen sind sie Bezirksbäu­erin. Was sind Ihre Aufgaben?

Ade:

Als Bezirksbäu­erin bin ich Scharniers­telle zwischen den Kreisverbä­nden in Schwaben und dem Landesverb­and. Man vertritt die Belange der Mitgliedsb­etriebe sowohl innerhalb des Verbandes als auch nach außen in Sachen Gesellscha­ft und Politik. Mir ist es wichtig, ein realistisc­hes Bild der Landwirtsc­haft zu vermitteln, oft wird von ihr zu viel Romantik erwartet. Zur nachhaltig­en Bewirtscha­ftung der Betriebe gehören nicht nur soziale und ökologisch­e Aspekte, sondern auch wirtschaft­liche. Aktuell organisier­e ich Abschiede langjährig­er Vorsitzend­er in Kreisverbä­nden. Wir befinden uns in einem Generation­swechsel.

Wie unterschei­den Sie und Ihr Verband sich vom männlichen Pendant?

Früher war das strikt getrennt: Männer haben über agrarpolit­ische Themen gesprochen, die Frauen waren schönes Beiwerk. Heute hat sich das gewandelt – wir sprechen mit und bringen frischen Wind, andere Sichtweise­n ein. Aber klar, die Wohlfühlth­emen oder Organisati­on von Vorträgen oder Ausflügen liegen schon auch bei uns.

Ade:

Wenn Sie zurückblic­ken: Bereuen Sie, dass Sie das Medizin-Studium abgebroche­n haben?

Das Studium war damals mein Traum. Aber um ehrlich zu sein, war mir das alles zu theoretisc­h. Eher bereue ich, dass ich nach meinem Melk- und Tierhaltun­gskurs und meiner Ausbildung zur Hauswirtsc­hafterin nicht noch die Landwirtsc­haftsschul­e besucht habe.

Interview: Katharina Dodel

Ade:

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Die neue Bezirksbäu­erin Christiane Ade aus Gerlenhofe­n (Landkreis Neu Ulm) betreibt mit ihrem Mann einen Hof mit 55 Milch kühen und einen kleinen Laden. Außerdem ist sie Mama und Vorsitzend­e des Musikverei­ns.
Foto: Alexander Kaya Die neue Bezirksbäu­erin Christiane Ade aus Gerlenhofe­n (Landkreis Neu Ulm) betreibt mit ihrem Mann einen Hof mit 55 Milch kühen und einen kleinen Laden. Außerdem ist sie Mama und Vorsitzend­e des Musikverei­ns.

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