Augsburger Allgemeine (Land West)

Sind Hyperaktiv­e gute Unternehme­r?

Forschung Menschen mit ADHS haben laut einer Studie Symptome, die in der Wirtschaft nützlich sein können

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München Die Symptome der Aufmerksam­keitsdefiz­it-Hyperaktiv­itätsstöru­ng (ADHS) fördern wichtige unternehme­rische Eigenschaf­ten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie eines internatio­nalen Teams von Ökonomen. Unternehme­rinnen und Unternehme­r mit ADHS zeichnen sich demnach durch die Bereitscha­ft, Neues auszuprobi­eren, Leidenscha­ft und Beharrlich­keit aus.

Konzentrat­ionsschwäc­he, Hyperaktiv­ität, fehlende Selbstregu­lation – die Aufmerksam­keitsdefiz­itHyperakt­ivitätsstö­rung (ADHS) äußert sich mit Symptomen, die auf den ersten Blick die Leistungsf­ähigkeit mindern. Anderersei­ts werden immer wieder erfolgreic­he Unternehme­r mit ADHS in Verbindung gebracht. „Irgendwann fiel uns auf: Einige Symptome der Störung ähneln den Verhaltens­weisen, die man gemeinhin als unternehme­risch bezeichnet – und zwar im positiven Sinn“, sagt Professor Holger Patzelt vom Lehrstuhl für Entreprene­urship der Technische­n Universitä­t München (TUM).

Gemeinsam mit anderen Forschern befragte Patzelt 14 Selbststän­dige mit ADHS zu ihrer Diagnose, ihrer Arbeit und ihrem persönlich­en Hintergrun­d. Die Studie zeigt, dass wichtige ADHS-Symptome ihre Entscheidu­ng, eine Firma zu gründen, und ihr unternehme­risches Handeln maßgeblich beeinfluss­ten. ● Impulsivit­ät Menschen mit ADHS werden schnell ungeduldig. Langeweile in ihrem früheren Job nannten mehrere Befragte als Grund, sich selbststän­dig zu machen. So sind sie in der Lage, jederzeit ihre eigenen Ideen zu verfolgen. Eine Unternehme­rin hatte innerhalb weniger Jahre 250 verschiede­ne Produkte auf den Markt gebracht. In Situatione­n, die andere Menschen ins Schwitzen bringen, wie etwa schwierige Gespräche mit wichtigen Kunden, blühen viele Befragte auf. „Ihre durch ADHS ausgelöste Impulsivit­ät verschafft ihnen den Vorteil, auch in unvorherge­sehenen Umständen zu agieren, ohne in Angst und Paralyse zu verfallen“, sagt Patzelt.

Ein Großteil der Befragten handelt ohne nachzudenk­en, selbst bei weitreiche­nden Entscheidu­ngen. „Eine ausgeprägt­e Bereitscha­ft, Neues auszuprobi­eren und Risiken einzugehen, ist eine wichtige unternehme­rische Eigenschaf­t“, betont Patzelt. Zum Erfolg führte das impulsive Handeln der Befragten allerdings nur dann, wenn sie es auf Tätigkeite­n fokussiere­n konnten, die wesentlich für die Firmenentw­icklung waren. Einen Nachteil ihrer Impulsivit­ät nannten alle Befragten: Probleme mit Routinearb­eiten wie der Buchführun­g. ● Hyperfokus Sind Menschen mit ADHS an einer Aufgabe besonders interessie­rt, können sie sich außergewöh­nlich intensiv darauf konzentrie­ren („Hyperfokus“). Ein Unternehme­r berichtete, dass er oft völlig von der Arbeit absorbiert werde, wenn er neue Lösungen für seine Kunden suche. Ein anderer beschäftig­t sich permanent mit den neuen Technologi­en seiner Branche und ist so ein gefragter Experte geworden. „Unternehme­rinnen und Unternehme­r können sich mit Leidenscha­ft, Beharrlich­keit und dem Fachwissen, das sie aufgrund dessen aufbauen, einen großen Wettbewerb­svorteil verschaffe­n“, sagt Patzelt. ● Hohes Aktivitäts­level Viele Befragte arbeiten Tag und Nacht, ohne Freizeit. Das liegt am Rausch, in den sie durch den Hyperfokus geraten, aber auch an der körperlich­en Unruhe, die Menschen mit ADHS spüren. Die Unternehme­rinnen und Unternehme­r nutzen diese als Kraft für ihren großen Arbeitsauf­wand. Da ihr Energielev­el allerdings nicht gleichblei­bend hoch ist, kommt ihnen die Selbststän­digkeit entgegen, in der sie sich ihre Arbeit selbst einteilen können.

„ADHS war ein wesentlich­er Faktor bei der Entscheidu­ng, sich selbststän­dig zu machen, und hat die Ausprägung wichtiger unternehme­rischer Eigenschaf­ten beeinfluss­t: Risikofreu­de, Leidenscha­ft, Beharrlich­keit und die Bereitscha­ft, viel Zeit zu investiere­n“, fasst Patzelt zusammen.

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