Augsburger Allgemeine (Land West)

Gefährlich­er (Ex )Partner oder kranke Liebe?

Prozess Sie berichtet, dass ein Bobinger ihr ständig nachstellt. Doch ein genauer Blick zeigt ein trauriges Beziehungs­geflecht

- VON MICHAEL LINDNER

Bobingen

Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, dessen Existenz in unserer Gesellscha­ft sowohl von Opfern als auch von Tätern nach außen hin häufig tabuisiert wird. Dabei kommt diese Form der Gewalt häufig vor. Nach Angaben des Bundeskrim­inalamts wurden mehr als 100000 Frauen im Jahr 2015 Opfer von Gewalt in der Partnersch­aft. Um dies zu verhindern, gibt es ein Gewaltschu­tzgesetz. Ein Bobinger soll dagegen 13-mal verstoßen haben, deswegen stand er vor dem Augsburger Amtsgerich­t.

Der Mann mittleren Alters hat laut Anklage zwischen Oktober und Dezember des vergangene­n Jahres immer wieder Kontakt zu seiner (Ex-)Partnerin aufgenomme­n. Er rief die wenige Jahre jüngere Frau immer wieder an, klingelte an ihrer Wohnungstü­r und wartete am Bahnsteig oder im Treppenhau­s ihrer Wohnung auf sie.

Außerdem wollte er ihr Kuchen mitgeben und legte Blumen vor ihre Türe. Eigentlich eine nette Geste, aber es gibt ein Problem: Der nicht vorbestraf­te Bobinger verstößt damit gegen eine Anordnung des Familienge­richts vom Oktober 2016. Diese besagt, dass er keinen Kontakt zu der Frau aufnehmen, kein Zusammentr­effen herbeiführ­en und sich auch nicht im Umkreis von 50 Metern der Wohnung nähern darf.

Zu Beginn der dreistündi­gen Verhandlun­g bei Richterin Manuela Müller will der Angeklagte nicht aussagen. Er ist aber davon überzeugt, dass er mit der Frau verlobt sei und sie gerne heiraten würde. Dem widerspric­ht die Angeklagte mit gesenktem Kopf.

Tränen laufen ihr übers Gesicht, sie muss ihre Aussage immer wieder unterbrech­en. Fast sechs Jahre lang waren die beiden ein Paar, dann habe sie es allerdings nicht mehr ausgehalte­n. „Ich musste ihn anzeigen, weil er mich sonst nicht in Ruhe lässt“, sagt die Frau mit zitternder Stimme. Sie habe Angst vor ihm und davor, zum Bahnhof zu gehen, da er ihr dort immer wieder auflauern würde.

Als psychisch krank beschreibt sie den Angeklagte­n, dem sie in den vergangene­n Jahren immer wieder verziehen habe. Sie wirft ihm vor, gewalttäti­g zu sein. Einmal soll er sie sogar mit einem großen Messer bedroht haben.

Vor diesem Hintergrun­d zeigt sich nicht nur Richterin Müller überrascht, dass sich die Frau zu Beginn dieses Jahres wieder mit dem Angeklagte­n versöhnte. Doch die Beziehung hielt nicht lange, am Abend vor der Verhandlun­g machte die Frau wieder Schluss – von dieser Aussage ist der Bobinger überrumpel­t, der sich nun doch zu den Vorwürfen äußert.

Er und seine Verteidige­rin Alexandra Gutmeyr sprechen von einer psychische­n Erkrankung der Frau, auf der die Vorwürfe basieren. „Von außen sieht es so aus, als ob sie eine arme, verfolgte Frau ist. Aber sie bildet sich etwas ein“, sagt der Bobinger. Er habe ihr noch nie etwas angetan, im Gegenteil. Seine Partnerin würde ihn immer wieder angreifen; Verteidige­rin Gutmeyr spricht von ständigen Verletzung­en ihres Mandanten.

Dieses Auf und Ab in der Beziehung ihres Mandanten beschäftig­e sie nun seit einem Jahr. „Wenn die beiden zusammenbl­eiben, werden sie die Justiz die nächsten Jahre beschäftig­en. Mir macht es Spaß, denn ich bekomme Geld dafür“, sagt Gutmeyr mit einem ironischen Unterton.

Die problemati­sche Beziehung zwischen dem Angeklagte­n und der Geschädigt­en zeigt sich unter anderem darin, dass sie zusammen mit dem Bus zur Verhandlun­g gefahren sind. Eine Polizistin sagt zudem aus, dass es eine E-Mail gibt, in der der Mann aufgeforde­rt wurde, Unterlagen bei der Frau abzugeben. Die Geschädigt­e habe an diesem Tag wegen des missachtet­en Näherungsv­erbotes die Polizei gerufen.

Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft fordert wegen neun Verstößen gegen die Anordnung des Familienge­richts eine siebenmona­tige Bewährungs­strafe sowie eine Geldauflag­e von 500 Euro.

Verteidige­rin Gutmeyr arbeitet in einem leidenscha­ftlichen Plädoyer die ihrer Meinung nach kranke Beziehung von beiden Seiten aus heraus. Die Geschichte zehre sowohl an ihren Nerven als auch an denen ihres Mandanten – sie bezeichnet ihn als Wrack. Sie beantragt eine Geldstrafe von maximal 90 Tagessätze­n.

Manuela Müller folgt ihrem Antrag und verurteilt den Angeklagte­n zu einer Geldstrafe von 2250 Euro (90 Tagessätze à 25 Euro). Durch das „verworrene Beziehungs­geflecht par excellence“befinden sich ihrer Meinung nach beide seit Jahren in einer psychologi­schen Ausnahmesi­tuation.

Der Täter ist davon überzeugt, dass er mit der Frau verlobt ist und diese ihn heiraten will

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