Augsburger Allgemeine (Land West)
Gefährlicher (Ex )Partner oder kranke Liebe?
Prozess Sie berichtet, dass ein Bobinger ihr ständig nachstellt. Doch ein genauer Blick zeigt ein trauriges Beziehungsgeflecht
Bobingen
Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, dessen Existenz in unserer Gesellschaft sowohl von Opfern als auch von Tätern nach außen hin häufig tabuisiert wird. Dabei kommt diese Form der Gewalt häufig vor. Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden mehr als 100000 Frauen im Jahr 2015 Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. Um dies zu verhindern, gibt es ein Gewaltschutzgesetz. Ein Bobinger soll dagegen 13-mal verstoßen haben, deswegen stand er vor dem Augsburger Amtsgericht.
Der Mann mittleren Alters hat laut Anklage zwischen Oktober und Dezember des vergangenen Jahres immer wieder Kontakt zu seiner (Ex-)Partnerin aufgenommen. Er rief die wenige Jahre jüngere Frau immer wieder an, klingelte an ihrer Wohnungstür und wartete am Bahnsteig oder im Treppenhaus ihrer Wohnung auf sie.
Außerdem wollte er ihr Kuchen mitgeben und legte Blumen vor ihre Türe. Eigentlich eine nette Geste, aber es gibt ein Problem: Der nicht vorbestrafte Bobinger verstößt damit gegen eine Anordnung des Familiengerichts vom Oktober 2016. Diese besagt, dass er keinen Kontakt zu der Frau aufnehmen, kein Zusammentreffen herbeiführen und sich auch nicht im Umkreis von 50 Metern der Wohnung nähern darf.
Zu Beginn der dreistündigen Verhandlung bei Richterin Manuela Müller will der Angeklagte nicht aussagen. Er ist aber davon überzeugt, dass er mit der Frau verlobt sei und sie gerne heiraten würde. Dem widerspricht die Angeklagte mit gesenktem Kopf.
Tränen laufen ihr übers Gesicht, sie muss ihre Aussage immer wieder unterbrechen. Fast sechs Jahre lang waren die beiden ein Paar, dann habe sie es allerdings nicht mehr ausgehalten. „Ich musste ihn anzeigen, weil er mich sonst nicht in Ruhe lässt“, sagt die Frau mit zitternder Stimme. Sie habe Angst vor ihm und davor, zum Bahnhof zu gehen, da er ihr dort immer wieder auflauern würde.
Als psychisch krank beschreibt sie den Angeklagten, dem sie in den vergangenen Jahren immer wieder verziehen habe. Sie wirft ihm vor, gewalttätig zu sein. Einmal soll er sie sogar mit einem großen Messer bedroht haben.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich nicht nur Richterin Müller überrascht, dass sich die Frau zu Beginn dieses Jahres wieder mit dem Angeklagten versöhnte. Doch die Beziehung hielt nicht lange, am Abend vor der Verhandlung machte die Frau wieder Schluss – von dieser Aussage ist der Bobinger überrumpelt, der sich nun doch zu den Vorwürfen äußert.
Er und seine Verteidigerin Alexandra Gutmeyr sprechen von einer psychischen Erkrankung der Frau, auf der die Vorwürfe basieren. „Von außen sieht es so aus, als ob sie eine arme, verfolgte Frau ist. Aber sie bildet sich etwas ein“, sagt der Bobinger. Er habe ihr noch nie etwas angetan, im Gegenteil. Seine Partnerin würde ihn immer wieder angreifen; Verteidigerin Gutmeyr spricht von ständigen Verletzungen ihres Mandanten.
Dieses Auf und Ab in der Beziehung ihres Mandanten beschäftige sie nun seit einem Jahr. „Wenn die beiden zusammenbleiben, werden sie die Justiz die nächsten Jahre beschäftigen. Mir macht es Spaß, denn ich bekomme Geld dafür“, sagt Gutmeyr mit einem ironischen Unterton.
Die problematische Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zeigt sich unter anderem darin, dass sie zusammen mit dem Bus zur Verhandlung gefahren sind. Eine Polizistin sagt zudem aus, dass es eine E-Mail gibt, in der der Mann aufgefordert wurde, Unterlagen bei der Frau abzugeben. Die Geschädigte habe an diesem Tag wegen des missachteten Näherungsverbotes die Polizei gerufen.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft fordert wegen neun Verstößen gegen die Anordnung des Familiengerichts eine siebenmonatige Bewährungsstrafe sowie eine Geldauflage von 500 Euro.
Verteidigerin Gutmeyr arbeitet in einem leidenschaftlichen Plädoyer die ihrer Meinung nach kranke Beziehung von beiden Seiten aus heraus. Die Geschichte zehre sowohl an ihren Nerven als auch an denen ihres Mandanten – sie bezeichnet ihn als Wrack. Sie beantragt eine Geldstrafe von maximal 90 Tagessätzen.
Manuela Müller folgt ihrem Antrag und verurteilt den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 2250 Euro (90 Tagessätze à 25 Euro). Durch das „verworrene Beziehungsgeflecht par excellence“befinden sich ihrer Meinung nach beide seit Jahren in einer psychologischen Ausnahmesituation.
Der Täter ist davon überzeugt, dass er mit der Frau verlobt ist und diese ihn heiraten will