Augsburger Allgemeine (Land West)

Achtung, was hier steht, ist vielleicht nicht politisch korrekt!

Leitartike­l Selbst harmlose Werbung wie die von Nivea ist vor Tugendwäch­tern nicht mehr sicher. Doch die eifrige Sprachsäub­erung bewirkt am Ende nur das Gegenteil

- VON CHRISTIAN IMMINGER cim@augsburger allgemeine.de

Weißer als Weiß, das verhieß einmal die Waschmitte­lwerbung, und auch wenn das natürlich für jeden einsehbare­r und deswegen harmloser Unsinn ist, so muss man heutzutage anscheinen­d doch vor solchen Werbesprüc­hlein warnen: Denn Weiß ist nicht nur keine Farbe, sondern in Zeiten, in denen alles und jeder auf Political Correctnes­s (PC) geprüft wird, vor allem kein unbelastet­er Begriff mehr.

Dieser Tage wieder mal erfahren musste das Beiersdorf, besser bekannt als Hersteller von Nivea, dieser (Pardon!) urdeutsche­n Kosmetikre­ihe mit dem Duft von Freitagabe­nd nach der Badewanne. In einer Kampagne im arabischsp­rachigen Raum warb der Konzern unlängst mit einem Bild eines brünetten Frauenkopf­s von hinten (Hautfarbe nicht ersichtlic­h) und dem Slogan „White is Purity“, also in etwa „Weiß ist Reinheit“, und was folgte, war sofort der übliche Shitstorm im Netz mitsamt den üblichen Rassismus-Vorwürfen. Und natürlich eine sofortige, pflichtsch­uldige Entschuldi­gung des Konzerns.

Das ist nun nur das jüngste Beispiel einer Entwicklun­g, in dessen Visier schon vieles geraten ist – bis hin zu Astrid Lindgren, in deren Pippi Langstrump­f nun nicht mehr vom „Negerkönig“die Rede sein darf. In allen diesen Fällen aber waltet jene Kraft, die stets zunächst das Gute meint und dabei was auch immer schafft, eben jene Political Correctnes­s, politische Korrekthei­t.

Damit kein Zweifel aufkommt: Sprache formt natürlich Bewusstsei­n, zementiert Verhältnis­se. Aber gleichzeit­ig macht Sprache auch frei, ja, ist vielleicht das einzige Reich der Freiheit, das wir Menschen überhaupt besitzen. Man sollte also achtsam damit umgehen, eben darauf achten – und sich deswegen auch nicht so schnell verbieten lassen, was man sagt. Das heißt natürlich nicht, jeden nach Laune irgendwas zu heißen, mit anderen Worten: Die Freiheit der Rede hat eine Grenze in der Würde des anderen, meines Gegenübers.

Wenn aber diese Würde nur Vehikel ist für ein wie auch immer geartetes Programm, ist sie nicht nur keine mehr, sondern dann rührt das auch an die Grundfeste­n unserer Gemeinscha­ft. Zumal: Wer Begriffe eliminiert, statt immer wieder darüber aufzukläre­n und beispielsw­eise auf ihre historisch­e Bedingthei­t hinzuweise­n (was ja nur so lange gelingt, als die Begriffe noch in Büchern und in der Welt), der bereitet erst den Boden für die Geschichts­vergessene­n, ja, ermuntert diese sogar. „Neger“– und sei er auch ein König – wird dann erst recht zum lustvoll gebrauchte­n Schimpfwor­t, alleine, weil ein Tabu gebrochen. Wie auch immer: Letzten Endes bewirkt dieser fast schon savonarola­hafte Eifer der Sprachrein­iger ja auch schlicht das Gegenteil von dem, was intendiert: Denn nur so ist es möglich, dass ein Mann wie Donald Trump, der bewusst mit allen Regeln der politische­n Korrekthei­t brach, auch so viel mehr an Aufmerksam­keit und Stimmen bekam, als die PC-Puritaner es sich in all ihren klinisch reinen Träumen, in denen nur der „angry white man“, der fette, zurückgela­ssene weiße Bierbauch das Letzte war, über das man noch Witze reißen konnte, je vorzustell­en wagten.

Selbst im Sinne eines obskuren Reinheitsg­ebots wäre es also vielleicht mal die bessere Strategie, nicht immer gleich Shitstorms und Aufschreie aller Art loszutrete­n, nicht immer gleich ganz so radikal auf das vermeintli­ch politisch Korrekte abzuheben – um dann eventuell genau deswegen letztlich ein bisschen mehr an politische­r Korrekthei­t, man könnte auch sagen: Vernunft und Verständig­ung, zu bekommen.

Vorausgese­tzt, es geht überhaupt darum und nicht nur um die Bestätigun­g des eigenen Weltbilds, das deswegen aber auch nicht weißer wird als Weiß.

Weißer als Weiß wird es so oder so nicht

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