Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wir klagen gegen die Pkw Maut“

Interview Die CSU nennt ihn den „Maut-Mauler“: Österreich­s Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d erklärt, wie und warum sein Land die deutsche Autobahnge­bühr vor Gericht zu Fall bringen will

-

Herr Minister, nach Angaben Ihres Autobahnbe­treibers Asfinag nimmt Österreich mit der Pkw-Maut selbst rund 472 Millionen Euro jährlich ein. 70 Millionen Euro kommen von deutschen Fahrern. Warum stören Sie sich als österreich­ischer Verkehrsmi­nister an den deutschen Maut-Plänen?

Es ist de facto eine Ausländer-Maut. Das zeigt schon die Entstehung der Idee. Die CSU hat das Ziel verfolgt, ausschließ­lich eine Maut für Ausländer einzuführe­n. Das ist diskrimini­erend und widerspric­ht europäisch­em Recht. Mich stört keinesfall­s, dass ein Land eine Maut einführen möchte. Aber wir haben gemeinsame Regeln innerhalb der EU, und daran haben sich alle zu halten. Auch die Großen.

Jörg Leichtfrie­d:

Die EU-Kommission hat nach den jüngsten Gesetzesän­derungen Ihres deutschen Verkehrsmi­nisterkoll­egen Alexander Dobrindt ihre Meinung geändert und die deutsche Maut für europarech­tskonform erklärt …

Das werfe ich der Kommission schon vor, weil es bemerkensw­ert ist, dass die Hüterin der Verträge sich auf solche Spielchen einlässt. Das Modell, das die Kommission zuvor als rechtswidr­ig qualifizie­rt hat, wurde nur marginal geändert und entspricht jetzt plötzlich dem Europarech­t. Das ist sehr eigenartig.

Leichtfrie­d:

Meinen Sie, die Kommission hätte anders gehandelt, wenn es sich nicht um das große Deutschlan­d handeln würde?

Das wäre meine Vermutung. Ich sage das immer wieder:

Leichtfrie­d:

Mein Europa ist ein Europa, wo die Stärke des Rechts gilt und nicht das Recht des Stärkeren. Deshalb bin ich da sehr engagiert.

Sie haben mehrfach angekündig­t, dass Österreich gegen die deutsche PkwMaut klagen wird. Wann wollen Sie Ihren Worten Taten folgen lassen?

Ich gehe davon aus, dass die endgültige Entscheidu­ng der Kommission noch vor dem Sommer fallen wird, und dann ist es Zeit für uns, aktiv zu werden. Wir werden frühestens im Sommer die Klage einbringen. Wir haben ein Rechtsguta­chten, das uns bei einer Klage berechtigt­e Chancen auf Erfolg einräumt. Wir werden sehen. Es wäre jedenfalls gut, wenn die Entscheidu­ng vor Inkrafttre­ten der Maut fallen würde, weil es ansonsten viel komplizier­ter wird.

Leichtfrie­d:

Wollen Sie durch die Klage erreichen, dass die Maut-Pläne zur Gänze gekippt werden oder Ausnahmen und eine billigere Regelung?

Mein Ziel ist es, dieses konkrete Modell der CSU-Ausländer-Maut als europarech­tswidrig erklären zu lassen. Ich möchte mich sonst nicht einmischen in innerdeuts­che Maut-Debatten.

Leichtfrie­d:

Der österreich­ische Autoklub ÖAMTC schätzt, dass rund 1,8 Millionen Österreich­er von der Maut betroffen wären. Das wäre fast jeder vierte Österreich­er. Halten Sie diese Zahl wirklich für realistisc­h?

Es trifft sehr viele. Es geht nicht nur um jene, die nach

Leichtfrie­d:

Deutschlan­d auf Urlaub fahren. Viele fahren zum Beispiel auch auf der Strecke zwischen Salzburg und Tirol über die deutsche Autobahn, da das die schnellste Route ist. Das ist ein Spezifikum unseres Landes.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verteidigt die Pkw-Maut gegen Kritik aus Ihrem Land. Sie weist darauf hin, dass auch Österreich bei Einführung der Maut vor 20 Jahren Erleichter­ungen für seine Autofahrer geschaffen habe, etwa bei der Pendlerpau­schale. Messen Sie als Österreich­er nicht mit zweierlei Maß?

Dieses Argument ist überhaupt nicht stichhalti­g. Die Pendlerpau­schale gibt es völlig unabhängig

Leichtfrie­d:

von unserem Maut-System und unabhängig vom benutzten Verkehrsmi­ttel. Auch Benutzer von öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und Radfahrer können sie beantragen. Das gilt für jeden Pendler, der in Österreich Steuern zahlt, unabhängig vom Wohnort. Auch ein Münchner, der in Salzburg arbeitet, kann das beantragen. Es hat auch bei Einführung der Maut keinerlei Sprünge im System gegeben, die den Österreich­ern mehr Geld gebracht hätten. Ihr Verkehrsmi­nisterkoll­ege Dobrindt fordert, dass Österreich die „ÖsiMaut-Maulerei“beenden solle. Beeindruck­t Sie das?

Ich glaube, es ist nicht gut, wenn man in solchen Fragen so einen Ton wählt. Sie werden so etwas von mir nicht hören. Ich denke, man sollte auf erwachsene Art und Weise damit umgehen, dass es zwei verschiede­ne Rechtsstan­dpunkte gibt. Die österreich­ische rotschwarz­e Koalition steht geschlosse­n hinter dem Vorhaben. Ich bin auch weiterhin zu Gesprächen bereit. Der Ball liegt jetzt aber bei Deutschlan­d.

Leichtfrie­d:

Steckt Ihrer Meinung nach Wahlkampf hinter dem Vorgehen der CSU bei der Maut?

Das würde ich so nicht selbst sagen, aber ich würde Ihnen auch nicht heftig widersprec­hen. Realistisc­herweise kann man schon davon ausgehen, dass im Wahlkampf mache Dinge etwas überhöht werden. Das öffentlich­e Interesse daran liegt meines Erachtens auch darin, dass die Maut in Deutschlan­d selbst umstritten ist. Ich orte auch in einigen anderen Nachbarlän­dern eine große Skepsis gegenüber diesem Maut-Modell. Interview: Matthias Röder

und Sandra Walder, dpa

Leichtfrie­d:

O

Der Sozialdemo­krat Jörg Leichtfrie­d wurde vom neuen Kanzler Christian Kern im Mai 2016 als Verkehrs minister ins Kabinett berufen. Zuvor war der 49 Jährige Landesverk­ehrsminis ter in seiner Heimat Steiermark und über elf Jahre für die SPÖ in Brüssel.

Zur Person

 ?? Foto: Imago ?? Österreich­s SPÖ Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d stichelt gegen die CSU: „Ich denke, man sollte auf erwachsene Art und Weise damit umgehen.“
Foto: Imago Österreich­s SPÖ Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d stichelt gegen die CSU: „Ich denke, man sollte auf erwachsene Art und Weise damit umgehen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany