Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Netz der Vernichtun­g

Gedenken In Landsberg soll ein Informatio­nsort entstehen, um an das größte Außenlager des Konzentrat­ionslagers Dachau zu erinnern. Doch nicht nur dort gab es einen Ableger

- VON SANDRA LIERMANN

Augsburg

Mit dem Namen Dachau verbinden viele die Erinnerung an den Holocaust. Die Gedenkstät­te, die sich dort im ehemaligen Konzentrat­ionslager befindet, wird jährlich von 800 000 Menschen aus aller Welt besucht. Das KZ Dachau war aber keineswegs nur auf die knapp 20 Kilometer von München entfernt gelegene Stadt beschränkt: 169 Außenstell­en hatte das Lager, einige auch in Schwaben. Somit war es nicht nur das erste Arbeits- und Vernichtun­gslager, das vom NS-Regime errichtet wurde, sondern gleichzeit­ig auch das größte und am weitesten verzweigte.

Der größte Außenlager-Komplex fand sich in und um Landsberg. Dort soll nun ein Informatio­nsort entstehen, um an die bewegte Vergangenh­eit der Stadt vor, während und nach der Nazizeit zu erinnern und auf andere Gedenkstät­ten hinzuweise­n. Das beschloss der Stadtrat. Man wolle in angemessen­er Form an das Geschehen während des NS-Regimes erinnern.

Doch nicht nur rund um Landsberg gab es KZ-Außenlager. Fast 30 Dependance­n des Dachauer Lagers gab es in der Region: vom Norden, wo in Asbach-Bäumenheim (Landkreis Donau-Ries) bis zu 500 Gefangene für die Messerschm­itt AG in der Flugzeugpr­oduktion arbeiten mussten, bis hinab in den Süden in Oberstdorf. Dort arbeiteten 25 bis 30 Gefangene für die Waffen-SS. Vom westlichen Schwaben, wo sechs bis acht Häftlinge in Sigmarszel­l-Schlachter­s (Landkreis Lindau) am sogenannte­n „Institut für wehrwissen­schaftlich­e Zweckforsc­hung“medizinisc­he Versuche über sich er- lassen mussten, bis nach Utting am Ammersee im Osten der Region. Im dortigen Lager, das zum Komplex Kaufering gehörte, produziert­en 500 Männer und 15 Frauen Fertigbeto­nteile für die Firma Dykerhoff & Widmann.

Neben den großen Außenlager­n mit mehreren tausend Gefangenen wie in Kaufering, Kaufbeuren, Burgau, Lauingen oder AugsburgHa­unstetten gab es auch kleine Außenlager. Das kleinste stellte das landwirtsc­haftliche Anwesen von Ilse Heß, der Ehefrau des nationalso­zialistisc­hen Politikers Rudolf Heß, in Bad Oberdorf dar. Dort lebte ein einziger Gefangener: Georg Frey, gebogehen ren im Jahr 1920. Er musste Arbeiten im Haushalt erledigen.

Die Lager und Stätten, die oft weit entfernt waren vom Hauptlager, dienten meist der Versorgung von SS-eigenen Betrieben oder Rüstungsfi­rmen mit Arbeitskrä­ften. Auch der Aufbau von neuen Produktion­sstätten fiel in ihren Aufgabenbe­reich. Oft mussten die Gefangenen auch nach Luftangrif­fen bei Aufräumarb­eiten mithelfen. Ihnen wurden die gefährlich­sten und unangenehm­sten Arbeiten zugeteilt: Bomben unter dem Trümmersch­utt suchen oder Sprengkörp­er entschärfe­n.

Die Bedingunge­n in den Außenlager­n waren oft unmenschli­ch. Das Bayerische Bildungsmi­nisterium zitiert einen polnischen Häftling, der sich an das Außenlager Kaufering III bei Landsberg am Lech erinnert: „Es war dort sehr feucht, wir lagen auf bloßen Brettern, jeder Mann hatte nur eine Decke. Unter den Kopf gab es nichts.“Nur abends wurde ein kleiner Ofen angefeuert, mit dem wenigen Heizmateri­al, das den Häftlingen zugeteilt wurde. „Den ganzen Tag über wurden die Kleider und Schuhe feucht oder gänzlich durchnässt, und natürlich genügte der kleine Ofen nicht, die Bekleidung von sechzig Menschen zu trocknen.“Ihre Kleidung trugen die Gefangenen tagsüber wie nachts, nur die Schuhe zogen sie aus. Der polnische Häftling sagte: „Zu meiner schönsten Erinnerung an Kaufering gehört, wie wohl ich mich fühlte, als ich einige Zeit in der Nähe des Ofens schlief.“I www.augsburger allgemeine.de

Eine Übersicht über alle Außenla ger in der Region finden Sie auf

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Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Besucher aus der ganzen Welt besichtige­n die KZ Gedenkstät­te Dachau.

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