Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Netz der Vernichtung
Gedenken In Landsberg soll ein Informationsort entstehen, um an das größte Außenlager des Konzentrationslagers Dachau zu erinnern. Doch nicht nur dort gab es einen Ableger
Augsburg
Mit dem Namen Dachau verbinden viele die Erinnerung an den Holocaust. Die Gedenkstätte, die sich dort im ehemaligen Konzentrationslager befindet, wird jährlich von 800 000 Menschen aus aller Welt besucht. Das KZ Dachau war aber keineswegs nur auf die knapp 20 Kilometer von München entfernt gelegene Stadt beschränkt: 169 Außenstellen hatte das Lager, einige auch in Schwaben. Somit war es nicht nur das erste Arbeits- und Vernichtungslager, das vom NS-Regime errichtet wurde, sondern gleichzeitig auch das größte und am weitesten verzweigte.
Der größte Außenlager-Komplex fand sich in und um Landsberg. Dort soll nun ein Informationsort entstehen, um an die bewegte Vergangenheit der Stadt vor, während und nach der Nazizeit zu erinnern und auf andere Gedenkstätten hinzuweisen. Das beschloss der Stadtrat. Man wolle in angemessener Form an das Geschehen während des NS-Regimes erinnern.
Doch nicht nur rund um Landsberg gab es KZ-Außenlager. Fast 30 Dependancen des Dachauer Lagers gab es in der Region: vom Norden, wo in Asbach-Bäumenheim (Landkreis Donau-Ries) bis zu 500 Gefangene für die Messerschmitt AG in der Flugzeugproduktion arbeiten mussten, bis hinab in den Süden in Oberstdorf. Dort arbeiteten 25 bis 30 Gefangene für die Waffen-SS. Vom westlichen Schwaben, wo sechs bis acht Häftlinge in Sigmarszell-Schlachters (Landkreis Lindau) am sogenannten „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“medizinische Versuche über sich er- lassen mussten, bis nach Utting am Ammersee im Osten der Region. Im dortigen Lager, das zum Komplex Kaufering gehörte, produzierten 500 Männer und 15 Frauen Fertigbetonteile für die Firma Dykerhoff & Widmann.
Neben den großen Außenlagern mit mehreren tausend Gefangenen wie in Kaufering, Kaufbeuren, Burgau, Lauingen oder AugsburgHaunstetten gab es auch kleine Außenlager. Das kleinste stellte das landwirtschaftliche Anwesen von Ilse Heß, der Ehefrau des nationalsozialistischen Politikers Rudolf Heß, in Bad Oberdorf dar. Dort lebte ein einziger Gefangener: Georg Frey, gebogehen ren im Jahr 1920. Er musste Arbeiten im Haushalt erledigen.
Die Lager und Stätten, die oft weit entfernt waren vom Hauptlager, dienten meist der Versorgung von SS-eigenen Betrieben oder Rüstungsfirmen mit Arbeitskräften. Auch der Aufbau von neuen Produktionsstätten fiel in ihren Aufgabenbereich. Oft mussten die Gefangenen auch nach Luftangriffen bei Aufräumarbeiten mithelfen. Ihnen wurden die gefährlichsten und unangenehmsten Arbeiten zugeteilt: Bomben unter dem Trümmerschutt suchen oder Sprengkörper entschärfen.
Die Bedingungen in den Außenlagern waren oft unmenschlich. Das Bayerische Bildungsministerium zitiert einen polnischen Häftling, der sich an das Außenlager Kaufering III bei Landsberg am Lech erinnert: „Es war dort sehr feucht, wir lagen auf bloßen Brettern, jeder Mann hatte nur eine Decke. Unter den Kopf gab es nichts.“Nur abends wurde ein kleiner Ofen angefeuert, mit dem wenigen Heizmaterial, das den Häftlingen zugeteilt wurde. „Den ganzen Tag über wurden die Kleider und Schuhe feucht oder gänzlich durchnässt, und natürlich genügte der kleine Ofen nicht, die Bekleidung von sechzig Menschen zu trocknen.“Ihre Kleidung trugen die Gefangenen tagsüber wie nachts, nur die Schuhe zogen sie aus. Der polnische Häftling sagte: „Zu meiner schönsten Erinnerung an Kaufering gehört, wie wohl ich mich fühlte, als ich einige Zeit in der Nähe des Ofens schlief.“I www.augsburger allgemeine.de
Eine Übersicht über alle Außenla ger in der Region finden Sie auf