Augsburger Allgemeine (Land West)
Die größte Bibel der Welt ist derzeit in Augsburg zu finden
Ein amerikanisches Museum stellt für eine Schau über das Buch der Bücher sensationelle Originale zur Verfügung
Dieses Buch kommt überall hin. Sogar auf dem Mond war die Bibel schon – kompakt verkleinert auf einer Folie, die 1971 mit Apollo 14 mitflog. In kleinen Bruchstücken haben sich die ältesten Texte der Bibel überliefert, seien es dunkle Pergamentschnipsel aus den Qumranhöhlen am Toten Meer oder bestens lesbare ägyptische Papyri. Solche Kostbarkeiten zeigt die Ausstellung „Unser Buch“zu über 3000 Jahren Geschichte der Bibel, die zum Reformationsgedenken im Augsburger Rathaus aufgebaut ist.
„Ein großes Geschenk“nennt Pfarrer Bernd Fischer von der Evangelischen Allianz im Namen des ökumenischen Trägerkreises die speziell für Augsburg bestückte Präsentation aus den Beständen des amerikanischen Museum of the Bible in Washington. Die 120 Exponate sind fast durchgängig Originale. In verkleinerter Form wird sie anschließend in Wittenberg gezeigt.
Schon der liebe Gott hat sich tausend Jahre Zeit genommen, um zusammen mit Menschen die Bibel zu schreiben. Kein anderes Buch ist dann so häufig abgeschrieben und gedruckt worden. In die eigenartigsten Formen wurde ihr Text gebracht. Bei der Miniaturausgabe der King-James-Bible von 1912 wird man sich selbst mit Lupe schwertun, auf den 43 x 30 Millimeter großen Seiten die Buchstaben zu entziffern. Im südindischen Madras hat man sie 1734 auf einen Fächer mit Palmblättern geschrieben. Im afrikanischen Togo beließ man es sogar bei einem Holzblock, der symbolisch die Namen biblischer Bücher nennt, sonst aber aus Pinselstrichen besteht. Den Text erzählte man lieber mündlich.
Mit 496 Kilogramm lastet die größte Bibel im Augsburger Rathaus. Louis Waynai aus Los Angeles hatte 1928 angefangen, Buchstabe für Buchstabe auf schließlich 20 Kilometer Japanpapier zu drucken. Persönliche Notizen hinterließ Elvis Presley in seiner Bibel, darunter auf der letzten Seite im Gedenken an seine verstorbene Mutter den Satz: „I love ya mama.“
Mitunter braucht es Glück und Spürsinn, um an uralte Bibeltexte zu gelangen. Ein Kodex des Katharinenklosters auf dem Sinai vom 9. Jahrhundert barg solch ein Geheimnis in sich: Der Erbauungstext „Leiter zum Paradies“auf Syrisch stand auf wiederverwendeten Pergamentseiten – abgeschabt, aber noch lesbar standen darauf 100 bis 300 Jahre ältere neutestamentliche Texte auf Griechisch und Aramäisch. Dieser Kodex von unschätzbarem Wert gehört ebenso zur Sammlung des Museum of the Bible wie Seiten einer hebräischen Bibel aus der jüdischen Gemeinde Kaifeng in China, aufgeschrieben in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Nach Kaifeng waren Juden schon vor Christus gewandert. Durch viele Hände ging bereits das in Konstantinopel im Mittelalter geschriebene griechische UsscherEvangelienbuch, benannt nach einem englischen Erzbischof: Ein berüchtigter Mann hatte es 1702 aus der Bibliothek des Trinity Colleges in Dublin ausgeliehen und verkauft.
Das Washingtoner Museum wird mit Argusaugen darauf aufpassen. Auf acht Stockwerken wird es im November 2017 in der US-Hauptstadt eröffnen. Zuvor stellte es seine Schätze international vor, darunter im Vatikan, in Jerusalem, in Havanna auf Kuba und in Buenos Aires. Gegründet ist es nach den Worten ihres Direktors David Trobisch, um die biblischen Texte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – für Gläubige ebenso wie für Skeptiker.
In Augsburg wird ein besonderer Akzent gesetzt: In einer Vitrine liegen ein Brief Martin Luthers vom 4. Oktober 1518, geschrieben auf dem Weg zum Verhör beim Augsburger Reichstag vor dem päpstlichen Legaten Cajetan in banger Erwartung, und das prachtvoll ausgemalte Gebetbuch des jungen Kaisers Karl V. „Zwei gläubige Christen treffen aufeinander, und obwohl beide für die Erneuerung und die Einheit der Kirche einstehen, finden sie nicht zueinander“, erklärt Trobisch.
In Ergänzung zur Ausstellung im Rathaus geht es in der Augsburger Moritz-Kirche um die Bibel und die Musik und in St. Anna um Übersetzungen der Bibel ins Deutsche vor und durch Luther. Sogar ein Nachbau der Gutenberg-Presse ist dort zu finden, auf der Bibeltexte zum Mitnehmen gedruckt werden. O
Öffnungszeiten Im Rathaus täglich von 10 bis 18 Uhr, in den beiden Kir chen geringfügig abweichend. Eintritt frei. Der Katalog (182 Seiten) kostet 24 ¤.