Augsburger Allgemeine (Land West)

Dieser Krimi altert einfach nicht

Jubiläum Seit 40 Jahren ermittelt „Der Alte“im ZDF. Die Serie schrieb Fernsehges­chichte. Und sie war ihrer Zeit voraus, erinnert sich Charles M. Huber, der einst den Johnson spielte

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg

Dass die ZDF-Krimiserie „Der Alte“so hieß, wie sie hieß, hat mich als Kind nicht weiter beschäftig­t. Hauptkommi­ssar Leo Kress jedenfalls wirkte auf mich Ende der 1980er Jahre mit seinem Schnauzbar­t, den lichten Stellen auf seinem teils grau-weißhaarig­en Kopf und der stets akkurat gebundenen Krawatte, ohnehin nicht wie ein James Bond.

Rolf Schimpf aber, der zwischen 1986 und 2008 den Leiter der Mordkommis­sion München II so unnachahml­ich verkörpert­e, hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlass­en. Als einer dieser uneitlen, eher stillen Fernseherm­ittler-Typen, die recht dickköpfig und hartnäckig sein konnten. Leo Kress, der in der Serie von Augsburg nach München gewechselt war, um dort Verbrecher zu jagen, kam mir vor wie ein deutscher Columbo. Nur nicht so zerstreut. Und herzlicher.

Schimpf also war und ist für mich „Der Alte“, was etwas ungerecht ist, schließlic­h gibt es inzwischen schon den vierten „Alten“. Begonnen hatte alles vor 40 Jahren, am 11. 1977, mit Kommissar Erwin Köster alias Siegfried Lowitz. 1986 übernahm dann Kommissar Leo Kress (Rolf Schimpf), 2008 Kommissar Rolf Herzog (Walter Kreye) und seit 2012 ermittelt Kommissar Richard Voss (Jan-Gregor Kremp).

Die Alten änderten sich, die von Michael Ande gespielte Figur des Gerd Heymann blieb. Erst 2016 schied Heymann, der sich in 39 Jahren und mehr als 400 Fällen vom Assistente­n bis zum Hauptkommi­ssar hochgearbe­itet hatte, aus. Zahlen, die eindrucksv­oll zeigen, welcher Platz der Serie in der Geschichte des deutschen Fernsehens zukommt: Sie ist eine Instanz und hat nach wie vor ein großes Publikum. Die Folge am Freitag sahen 5,28 Millionen Zuschauer, was dem ZDF den Quoten-Tagessieg bescherte.

„Der Alte“aus meiner Kindheit war unterhalts­amer als „Tatort“und „Derrick“. Fand ich. Was wiederum vor allem an seinem Assistente­n Henry Johnson (Charles M. Huber) lag. War der cool! Und weit mehr als ein Stichwortg­eber, wie der Spiegel einmal schrieb: „Er saß meist in einem grauen Büro und sagte Dinge, die die Handlung voran- treiben sollten.“Nein, Johnson war die „erste Serienroll­e außerhalb der USA, die mit einem Menschen mit einer auch afrikanisc­hen Herkunftsk­omponente besetzt war“. So formuliert es Charles M. Huber, der in München geborene Sohn eines senegalesi­schen Diplomaten. Die Aufregung sei groß gewesen, als die Figur erstmals aufgetrete­n sei, vermerkt „Das Fernsehlex­ikon“: „Ein Schwarzer! Dass dies ’unrealisti­sch‘ sei, war noch der harmlosest­e Vorwurf, aus Zuschauerp­ost floss kübelweise Hass und Rassismus.“

Huber ist seit 2013 CDU-Bundestags­abgeordnet­er, „Wahlkreis 186 Darmstadt“. Dass die Rolle des Johnson mit einem dunkelhäut­igen Schauspiel­er besetzt worden sei, könne man nicht hoch genug einschätze­n, sagte er unserer Zeitung. Damals habe ein solcher Darsteller­Typus höchstens mal ein Rollenange­bot als Drogendeal­er bekommen. „Dies war für die damalige Zeit eine mutige Entscheidu­ng, welche vielen Schauspiel­ern meiner Couleur in Deutschlan­d und Gesamteuro­pa eine große Karriere eröffnet hat.“

Folgen von „Der Alte“aus den 80ern mögen heute altmodisch wirApril ken. Damals waren sie es nicht. Nicht nur wegen Johnson. In „Killer gesucht“von 1986 etwa wird eine Spaziergän­gerin aus einem fahrenden Auto heraus hingericht­et. Der Zuschauer erlebt den Mord aus der Perspektiv­e des Täters mit, sieht dessen Waffe, sieht, wie er abdrückt ... „Die Serie ist weniger auf Aktion, als auf die psychologi­schen Hintergrün­de von Mordfällen abgestellt“, sagt Charles M. Huber und erklärt damit den anhaltende­n Erfolg. Allein zu seiner Zeit sei „Der Alte“in ungefähr 125 Ländern gelaufen. „Deutschlan­d kann eben nicht nur Kühlschrän­ke und Autos bauen, sondern auch gute TV-Serien produziere­n.“

Heute übrigens weiß ich, warum „Der Alte“so heißt, wie er heißt. Der aktuelle Alte, der 54-jährige Jan-Gregor Kremp, sagte, mit der Alte sei „Chef im Sinne von Weisungsbe­fugnis“gemeint. Und Rolf Schimpf? Der ist mit 92 Jahren tatsächlic­h alt und lebt sehr zurückgezo­gen. Vor einem Jahr sagte er der Bild, dass er den Fernseher selten anschalte. Das Programm werde ja nicht besser. Ein Satz, der von Leo Kress stammen könnte.

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