Augsburger Allgemeine (Land West)

In Schlumpfha­usen?

Belgien Jetzt sind die kleinen blauen Helden wieder im Kino. Den echten „Schtroumpf­s“aber begegnet man nur in der Wallonie

- / Von Jakob Stadler

Auf den saftigen Wiesen liegen Enten, die Sonne wärmt ihnen das Gefieder. Ein paar Tische stehen inmitten dieses Idylls, das zum Schloss von La Hulpe gehört. Auf flämisch heißt der Ort, der eine halbe Stunde außerhalb der belgischen Hauptstadt Brüssel liegt, Terhulpen. Zum Schloss gehört ein alter Bauernhof, der schon lange keine Tiere mehr beherbergt. Dafür sind dort ganz andere Wesen eingezogen.

Kleine blaue Fußspuren führen die hölzerne Treppe hinauf in das Obergescho­ss und geben einen ersten Hinweis darauf, was dort zu entdecken ist. Es ist eine Ausstellun­g über das Werk des belgischen Comiczeich­ners Peyo. Der ist weltweit bekannt für die „Schtroumpf­s“, wie er sie taufte. In Italien sind es die „Puffi“, in Japan die „Kumafu“, in den USA die „Smurfs“. In Deutschlan­d nennen wir die kleinen blauen Wesen Schlümpfe. Ein weltweiter Erfolg, der aktuell ein weiteres Mal auf der großen Leinwand zu sehen ist. Vergangene Woche kam der neueste Film „Die Schlümpfe 3 – Das verlorene Dorf“in die Kinos. Nachdem die ersten beiden Teile der Geschichte reale Filmszenen und animierte Figuren kombiniert­en, ist der neue Film komplett animiert. Das Museum in der Wallonie hat sich also einen passenden Augenblick herausgesu­cht, um einen Einblick in die Entstehung­sgeschicht­e der Schlümpfe zu geben.

Wer sich im ersten Raum der Ausstellun­g umsieht, ist zuerst verblüfft, wie wenig Farbe er zu sehen bekommt. An den Wänden hängen gerahmte Comicseite­n, fast alle in Schwarz-Weiß, und statt kleiner Wichtel sind allerlei Figuren zu sehen, die in Deutschlan­d nur Kennern frankobelg­ischer Comics ein Begriff sein dürften. Aber die Ausstellun­g ist ja schließlic­h dem Schlümpfe-Schöpfer Peyo, der eigentlich Pierre Culliford hieß, gewidmet und erzählt chronologi­sch von seinem künstleris­chen Schaffen. Peyo hatte schon ein beträchtli­ches Werk geschaffen, bevor die Schlümpfe 1958 zum ersten Mal in einer seiner Geschichte­n auftauchte­n. So dauert es auch im Museum, bis die Besucher den ersten Schlumpf zu Gesicht bekommen. Dann sind die Wände dafür voll mit den kleinen blauen Wesen.

Schon Peyos frühe Zeichnunge­n zeigen, wofür sich der Comicautor besonders interessie­rte und was ihm bei seinen Geschichte­n wichtig war. Anfangs spielten seine Geschichte­n in verschiede­nen Epochen, Peyo probierte sich aus. Doch am liebsten war ihm das Mittelalte­r, gepaart mit dem Fantasy-Genre. Der Kurator der Ausstellun­g, Hugues Dayez, verweist darauf, wie sehr es Peyo verstand, mit seinen Geschichte­n sämtliche Sinne anzuregen. „Er kreierte Töne im Geist der Leser“, erklärt Dayez begeistert, während er auf ein Comicpanel deutet, das schrägen Gesang darstellt. Die Reaktion der anderen Figuren, die zackigen Noten – all das erweckt den Eindruck, genau zu wissen, wie die Musik klingt.

Am Anfang der Ausstellun­g sind es vor allem Zeichnunge­n des Pagen Johann, in der deutschen Übersetzun­g anfangs Prinz Edelhart, die an den Wänden hängen. Später bekam er einen Kumpan – Pfiffikus, einen kleinwüchs­igen Hofnarren. In der Geschichte der beiden haben dann auch die Schlümpfe ihren ersten Auftritt – als Nebenfigur­en. Damals war nicht geplant, eigene Geschichte­n rund um das Dorf Schlumpfha­usen zu veröffentl­ichen. In der „Johann und Pfiffikus“-Geschichte „Die Schlümpfe und die Zauberflö- te“helfen sie den Titelhelde­n bei einem Abenteuer.

Der Geschichte ist wegen ihrer Bedeutung denn auch eine großer Bereich im Museum gewidmet. Neben ganzen Comic-Seiten hängt dort ein Bild, das wohl die erste Zeichnung der Schlümpfe zeigt. Zwei der Wesen hat Peyo damals gemalt, eines von vorne, eines von hinten. Die Mützen sind noch etwas spitzer als später, die Köpfe sitzen etwas höher auf dem dünnen Hals, doch die Nasen sind bereits rund, die Ohren riesig und der Blick ist neugierig und freundlich.

Die Leser liebten sie, also entwickelt­e Peyo die Geschichte­n rund um Schlumpfha­usen. Am Anfang sahen alle Schlümpfe, mit Ausnahme von Papa Schlumpf, noch genau gleich aus. Erst in den späteren Abenteuern entstanden dann Schlaubi, Clumsy, Schlumpfin­e und all die anderen.

So seien die Schlümpfe ein „happy accident“, ein glückliche­r Zufall, wie es Kurator Dayez, der auch ein Buch über den Zeichner geschriebe­n hat, ausdrückt. Ein Zufall, der zum Welterfolg wurde. Bereits 1976 kam der erste Film mit den blauen Wesen in die Kinos, er basierte auf der Geschichte mit der Zauberflöt­e. Und mit der Fernsehser­ie über Schlumpfha­usen sind bereits Generation­en von Kindern aufgewachs­en.

Die Werke von Peyo sind in La Hulpe in einer Sonderauss­tellung noch bis zum 27. August zu sehen. Die Fondation Folon präsentier­t immer wieder solche temporären Ausstellun­gen.

Und noch dazu: Einblicke in die Traumwelt des Jean Michel Folon

Ständig kann man sich im Museum über den Künstler Jean-Michel Folon informiere­n. Folon, der 1934 ein paar Kilometer entfernt, in Uccle bei Brüssel geboren wurde, war ein vielseitig­er Künstler, der durch sein Gemälde, Illustrati­onen und Skulpturen eine eigene Traumwelt erschaffen hat. Er illustrier­te unzählige Buchcover und entwarf Filmplakat­e, unter anderen für Filme von Woody Allen.

Das Museum ist mit Liebe zum Detail gestaltet, das zeigt sich direkt zu Beginn. Die Eingangstü­r ist ein etwa drei Meter hoher Buchdeckel mit einem Monitor, auf dem Folons Hand erscheint und einen Vogel zeichnet, der sich dann erhebt und wegfliegt. Der Buchdeckel öffnet sich langsam und gibt den Eingang zu Folons Welt frei. Ein wiederkehr­endes Motiv des Künstlers ist der Mann mit Hut. Eine Statue des Mannes steht bereits im Hof des Gehöfts, den Blick in den Himmel gerichtet. Er taucht auf Gemälden auf, und in einem Garten, den Besucher durchschre­iten, um in den zweiten Teil der Ausstellun­g zu kommen, steht eine weitere Statue. Dieses Mal trägt der steinerne Mann einen Stab in der Hand. Oben heraus kommt Wasser, das in Form eines Regenschir­mes um ihn herum fließt.

Tafeln, die Folons Kunst erklären, sucht man vergebens. Das wollte der Künstler so – seine Kunst soll verständli­ch sein, ohne Erklärunge­n. Und wenn jemand nichts damit anfangen kann, dann ist das eben so.

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 ?? Bilder: Peyo/Fondation Folon ?? Oben: Das ist Peyos erste Zeichnung der Schlümpfe, die in der Ausstellun­g in Terhulpen hängt. Damals unterschie­den sich die Zwerge noch nicht voneinande­r. Später entwickelt­e Peyo für viele einen ganz eigenen Charakter.
Bilder: Peyo/Fondation Folon Oben: Das ist Peyos erste Zeichnung der Schlümpfe, die in der Ausstellun­g in Terhulpen hängt. Damals unterschie­den sich die Zwerge noch nicht voneinande­r. Später entwickelt­e Peyo für viele einen ganz eigenen Charakter.
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