Augsburger Allgemeine (Land West)

So viel Leid und Licht in den Noten

Intensiv: Dvoráksˇ „Stabat Mater“

- VON MANFRED ENGELHARDT

Die „Sinfonie aus der Neuen Welt“ist das eine Werk, mit dem es Antonín Dvorˇák zu beispiello­ser Popularitä­t brachte, das andere ist sein „Stabat Mater“. Als er es 1877 vollendete, gingen ihm unfassbare Schicksals­schläge voraus: Drei seiner Kinder starben. Doch wie er in dem Oratorium sein Leid verarbeite­te, ist von einer derart souveränen Kraft, dass es weit über allen menschlich­en Schmerz hinaus den Weg vom Dunklen ins Licht zu schildern vermag. Wolfgang Reß und sein Philharmon­ischer Chor machten es mit den Augsburger Philharmon­ikern im Kongress am Park zu einem intensiven, bejubelten Erlebnis.

Der berühmte lateinisch­e Text aus dem 13. Jahrhunder­t beschreibt das Leid der Mutter Jesu am Kreuz. Im Wechsel der erzähleris­chen Perspektiv­e umkreist er das Verlangen nach Erlösung. Dvorˇák schuf dazu zehn „Sätze“und setzte alle seine hinreißend­en kompositor­ischen Mittel ein. Vom großen eröffnende­n „Stabat Mater“-Teil, der mit seinen „leeren“, blockhaft archaische­n Räumen das trauernde Panorama aufspannt, über eindringli­che Trauermärs­che („Eja mater“, „Inflammatu­s“), über pastoral schimmernd­e Idyllen, klagende, dissonante Zuspitzung­en, kraftvoll romantisch­es Strömen bis zu volksliedh­aft-slawischen Aromen werden Musiker, Sänger und Zuhörer auf diesem suggestive­n Weg mitgenomme­n.

Obwohl – bis auf den dramatisch gesteigert­en schnellen, dann subtil im „Amen“sich auflösende­n Schlusstei­l – die Sätze in langsamen Tempi gehalten sind, ist die Spannung wunderbar ausbalanci­ert. Der trefflich eingestimm­te Chor überzeugte in den schlicht gezogenen Bögen ebenso wie in vielstimmi­gen Kulminatio­nen durch seine organische Kraft. Die vier Solisten imponierte­n in der kunstvolle­n Verzahnung mit Chor und Orchester durch einen weichen Grundgestu­s, der individuel­le Charakteri­stika zuließ: der silbrig bewegliche Sopran von Elsa Benoit, Okka von der Dameraus charismati­scher Mezzo, Joshua Owen Mills samtiger Tenor und die sonor leuchtende Kraft des Bassisten Goran Juric´. Die Philharmon­iker präsentier­ten eine in allen Farben schimmernd­e, virtuos modelliert­e Klangbühne. Wolfgang Reß führte die musikalisc­hen Ströme souverän und bewegt zusammen.

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